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Leichenspiele: Ein Max-Broll-Krimi (German Edition)

Leichenspiele: Ein Max-Broll-Krimi (German Edition)

Titel: Leichenspiele: Ein Max-Broll-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Aichner
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passiert, sie ruft nur seinen Namen, Anton, immer wieder Anton, sie schüttelt den Kopf, sie weint. Er hat sich aus ihrer Umarmung gelöst und ist losgerannt. Sarah. Sie versteht die Welt nicht mehr. Eben war sie noch glücklich, jetzt fährt ihr Geliebter in einem Transporter weg von ihr, davon von ihrem Vater und seinem Freund, dem Totengräber. Wie sie am Fenster steht und ihm nachschaut. Wie sie nach unten schreit. Anton. Wie ihre Tränen fallen. Wie Anton Gas gibt.
    Früher Abend in Wien. Baroni und Max, sie sind hinter ihm. Sie lassen ihn nicht aus den Augen, sie kleben an ihm, sie sind zu schnell, sie sind rücksichtslos, sie müssen ihn aufhalten. Verfolgungsjagd durch Hütteldorf. Ampel für Ampel. Ein weißer Mercedes Sprinter, dahinter der Pritschenwagen von Max, sein Dienstfahrzeug.
    Wir dürfen ihn nicht verlieren, sagt Baroni.
    – Ich hätte ihn verdreschen sollen.
    – Dass er abhaut, konnte niemand wissen.
    – Ich hab’s gewusst. Dieser Drecksack.
    – Hätte ja auch anders sein können. Nur weil er älter ist als sie, heißt das ja noch lange nicht, dass er Leichen verschickt.
    – Ein Türke, der Anton heißt, das sagt doch alles.
    – Stimmt.
    – Das ist lächerlich. Welcher Türke nennt seinen Sohn Anton.
    – Bitte pass auf.
    – Was denn?
    – Du hättest beinahe die dicke Frau da überfahren.
    – Wir müssen dranbleiben, ich will mit ihm reden, diese Sau hat meine Tochter angefasst.
    – Sie ist erwachsen, Baroni.
    – Trotzdem.
    – Warum sollte er uns Leichen schicken?
    – Weil er weiß, dass du Totengräber bist.
    – Und Sarah hat ihm das erzählt.
    – Liegt nahe, oder?
    – Du meinst also, unser türkischer Anton steckt hinter dem ganzen Wahnsinn?
    – Den mache ich fertig.
    – Das geht aber nur, wenn du nicht von der Polizei aufgehalten wirst.
    Sie bleiben hinter ihm, sie folgen ihm, sie dürfen ihn nicht verlieren, sie dürfen nicht auffallen. Keine Polizei, kein Unfall, keine anderen Autos, die sie mit in die Sache hineinziehen. Ruhe bewahren. Weiterfahren. Baroni kocht. Nervös schaut er auf die Tankuhr, halbvoll, ihm ist klar, wenn es der Türke darauf anlegt, dann wird der vollere Tank entscheiden. Eines der beiden Autos wird einfach stehenbleiben, und falls es das von Max sein sollte, haben sie nur ein Kennzeichen und Baronis Tochter, die alles andere tun würde als ihrem Vater etwas über ihren Liebhaber zu erzählen.
    Baroni flucht. Warum gerade ihm das passiert, fragt er, er glaubt nicht an Zufälle. Er weiß es, dass die Wahrheit hinter dem Irrsinn weh tun wird, dass sie ihn ins Gefängnis bringen kann, ihn, Max und Sarah. Baroni spürt es, er hat Angst, er hat die Bilder noch im Kopf, die zwei toten Körper, die Leichen in den Einkaufswagen, die Nähte, die kalte Haut. Irgendjemand hat das getan, die beiden betäubt, ihnen die Organe entnommen, bei lebendigem Leib, irgendjemand hat sie einfach sterben lassen. Und dieser Anton weiß auch, wer. Der Türke in dem Auto vor ihnen, der Türke, der mittlerweile gemütlich auf der Landstraße dahinfährt. Vermutlich hat auch er auf seine Tankuhr geschaut, und mit großer Wahrscheinlichkeit ist sein Tank voll. Seelenruhig fährt er dahin, es scheint ihn nichts mehr aus der Ruhe zu bringen, Baronis Fluchen hört er nicht.
    Was für ein Wichser, sagt Max.
    Wir müssen ihn stoppen, sagt Baroni.
    Über eine Stunde lang sind sie hinter ihm. Durch niederösterreichische Dörfer, über geduldigen Asphalt. Immer wieder winkt Anton in den Rückspiegel, und er grinst. Man sieht es, so knapp sind sie hinter ihm. Wenn Baroni ihn überholen will, gibt Anton Gas, er lässt sie nicht vorbei an sich, um keinen Preis, sein Auto ist schneller, Anton führt den seltsamen Konvoi an, er gibt die Richtung vor, das Tempo. Egal, wie laut Baroni flucht und schreit, der Liebhaber seiner Tochter bleibt nicht stehen. Nicht freiwillig.
    Wütend über eine Bergstraße. Der Türke will das Abenteuer abkürzen, das Rachekommando in dem Pritschenwagen schneller loswerden, er will ihren Spritverbrauch erhöhen, sie in die Knie zwingen. Er fährt immer weiter nach oben, durch einen Wald, über eine Schotterstraße, immer weiter, Kurve für Kurve, im Kreis, weg von der Zivilisation.
    Baroni und Max wissen es. Wenn ihnen hier das Benzin ausgeht, sind sie allein, ein gewaltiger Fußmarsch würde ihnen bevorstehen, ein trauriges Ende zeichnet sich ab.
    Das wird nichts mehr, sagt Max.
    Es reicht, flüstert Baroni und gibt Gas.
    Sie holen auf. Sie kommen ihm ganz nah.

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