Leichenspiele: Ein Max-Broll-Krimi (German Edition)
Max.
Zehn
Mitten in Wien.
Baroni klopft an ihre Wohnungstüre. Seine Fingerknöchel wild auf dem Holz, dann, als die Tür aufgeht, ihr überraschtes Gesicht, das Handtuch, das sie um ihren Körper gewickelt hat.
– Papa?
– Warum machst du nicht auf?
– Was willst du hier, um Gottes willen?
– Ich muss mit dir reden.
– Jetzt nicht, Papa, ich kann nicht.
– Wir kommen rein.
– Nein.
– Doch.
– Wieso rufst du nicht an, bevor du kommst?
– Es ist wichtig, Sarah.
– Bitte, komm später wieder, ich stehe unter der Dusche.
– Wir werden in deiner Küche auf dich warten, Sarah.
– Halt, halt, ihr könnt doch nicht einfach meine Wohnung stürmen.
– Doch, können wir.
– Ich bin nicht allein, Papa, bitte geht wieder. Wir treffen uns in zehn Minuten unten im Café.
– Was soll das heißen, du bist nicht allein?
– Dass ich nicht allein bin. Du bist doch nicht schwer von Begriff.
– Wo ist er?
– Wer?
– Ich will sofort wissen, wer da noch in der Wohnung ist.
– Hör auf zu schreien.
– Wo er ist, will ich wissen.
– Hey hey hey, du kannst nicht einfach auftauchen und hier hereinplatzen. Ich bin erwachsen, falls dir das entgangen ist, und es geht dich einen Scheißdreck an, wer bei mir ist, einen Scheißdreck, verstehst du?
– Bitte, Sarah, es ist wichtig.
– Du kümmerst dich doch sonst auch nicht um mich, du musst also nicht jetzt damit anfangen. Bitte pack deinen kleinen Totengräber ein und hau ab.
Kurz schweigt Baroni noch. Dann zieht er an Sarah vorbei und stürmt das Bad. Max will ihn zurückhalten, aber Baroni ist schneller, er will wissen, wer sich an seiner Tochter vergreift. Mit Gewalt stemmt er sich gegen die Badezimmertür, mit einem Poltern springt sie auf und wirft Anton zu Boden.
Ein Mann, so alt wie Max, doppelt so alt wie Sarah, ein Mann in Jeans und mit nacktem Oberkörper, barfuß, unrasiert, dunkle Haut, dunkle Augen.
Das ist Anton, sagt Sarah.
Das ist ein Türke, sagt Baroni.
Was bist du nur für ein Arschloch, sagt Sarah.
Baroni drängt Sarah zurück, sie schreit. Er macht die Tür zu und sperrt von innen ab. Sarah fleht verzweifelt vor der Tür, dass Baroni aufhören soll, sich wie ein Vollidiot zu benehmen, er und Max sollen einfach wieder verschwinden, bettelt sie. Doch Max und Baroni bleiben. Sie drängen Anton in die Ecke wie ein Tier, aufgescheucht, überrascht. Er sucht nach einer Fluchtmöglichkeit, er ist sprungbereit, Anton. Er fragt nichts, sagt nichts, er will entkommen, schnell, er will nur weg. Irgendwie. Wie seine Pupillen hin- und hergehen. Wie er noch kurz abwartet. Wie er die Tür anstarrt, die beiden Männer, und wie er beschließt, es doch mit Worten zu versuchen. Wie Baroni ihm jede Hoffnung nimmt.
– Was wollen Sie von mir?
– Du hast etwas mit den Leichen zu tun.
– Bitte?
– Du hast mir drei Leichen geschickt.
– Was habe ich?
– Drecksau.
– Ich möchte jetzt gerne gehen.
– Du gehst nirgendwo hin.
– Sie sind verrückt.
– Wir unterhalten uns jetzt.
– Hier, jetzt, in diesem Badezimmer?
– Ja, genau hier.
– Warum beruhigen wir uns nicht alle und trinken gemeinsam eine Tasse Kaffee?
– Ich bin ruhig.
– Es muss sich hier um ein großes Missverständnis handeln.
– Das glaube ich nicht.
– Bitte. Sie müssen mir glauben, ich habe wirklich keine Ahnung, was Sie von mir wollen. Lassen Sie uns darüber reden, in Ruhe, draußen, Sarah hat Angst, das muss doch alles nicht sein, oder?
Baroni überlegt. Er schaut Anton an, wie er dasteht, halbnackt, verängstigt. Für einen kurzen Moment zögert er, zweifelt er, ob er das Richtige tut, ob sein Handeln nicht doch etwas übertrieben ist, ob es wirklich notwendig ist, so wild zu sein, so laut, ob er sich nicht doch, seiner Tochter zuliebe, beruhigen soll, ihn aus dem Bad lassen, in Ruhe mit ihm reden. Vielleicht hat Anton tatsächlich nichts mit dem Ganzen zu tun, vielleicht macht er gerade einen großen Fehler, vielleicht bringt er Sarah umsonst dazu, ihn zu hassen. Mit einem Kopfnicken sagt er Max, er soll die Türe öffnen und den Weg freimachen. Kleinlaut und geduckt schleicht Anton an ihnen vorbei aus dem Bad, erleichtert umarmt er Sarah, während Max und Baroni an ihnen vorbeigehen und sich an dem Küchentisch setzen.
Vielleicht war wirklich alles nur ein Zufall, sagt Max.
War es nicht, sagt Baroni und springt auf.
Anton rennt. Über die Stiegen auf die Straße, Max und Baroni hinter ihm. Sarah bleibt zurück. Sie versteht nicht, was
Weitere Kostenlose Bücher