Leichentuch: Band 2 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
sie in Massen fort. Ich habe viele gehindert, zu fliehen und ich sah die Drachenfrau dasselbe tun. Aber viele kamen bis zum Waldrand und verschwanden zwischen den Bäumen.“ Stabener spie aus. „In dieser Gegend werden die Leute noch lange unter der Plage leiden, die diese Vampire darstellen.“
„Ich fürchte, Ihr habt recht.“, seufzte der Schakal mit seiner kellertiefen Stimme. „Sie werden leiden ...“ „Sollten wir nach ihnen suchen? Nach den geflüchteten Vampiren?“ Stabener zeigte auf die toten Soldaten, die noch immer in das Loch im Hof von Burg Poenari starrten. „Und was machen wir mit denen? Sie beginnen … zu stinken. Riecht Ihr es nicht?“ Halef stellte erstaunt fest, dass Stabener recht hatte. Die toten Soldaten begannen zu verwesen. „Soviel zu ihrer Haltbarkeit!“, knurrte Stabener. „Ihr solltet sie von ihrem Befehl entbinden, mein Freund, oder sie verrotten Euch unter Euren Fingern.“ Halef musterte die ausdruckslosen Gesichter der Toten. Sie hatten ihre Aufgabe gut erfüllt. Er nahm die Flasche mit dem Blutwein in die Hand und zog den Korken ab. Eine halbe Stunde später waren Stabener und Halef allein auf dem Burgberg. Sie hatten allen Soldaten den Tod zurückgegeben. Halef hatte sie einzeln nacheinander an die Grube treten lassen und ihnen dann einen Tropfen eingeflößt. Sie waren sofort leblos zusammengebrochen und in die Grube gestürzt. Stabener und Halef hatten Steine und Felsbrocken über sie geworfen, so gut es ging. Den Rest würden Ratten, Vögel und Würmer erledigen.
„Und nun?“, fragte Halef und sah mit zusammengekniffenen Augen in die untergehende Sonne. „Nun? Was meint Ihr? Wir machen uns ein Lager für die Nacht, denke ich ...“ Halef Omar drehte sich zu Stabener um. „Sicher.“ Er deutete nach Osten. „Zweihundert Meilen bis zur Küste. Sie bringen den Vampir aufs Meer hinaus, um ihn dort zu vernichten. Sie haben einen Tag Vorsprung. Wir könnten sie einholen, denn sie transportieren einen schweren Sarg und können nicht schneller sein als ein Fuhrwerk.“ „Was mich angeht, so habe ich keine weiterführenden Pläne“, antwortete Stabener. „Bevor mein Kriegsherr Leopold von Segescin dem Wahnsinn anheimfiel, brauchte ich keine Pläne zu machen. Ich ging hin, wo er hinging, und er bezahlte mich dafür. Was braucht ein Mann da für Pläne?“ Er lachte leise vor sich hin. „Lasst uns den anderen folgen. Ich kann auf dem Weg darüber nachdenken, was ich mit meiner Freiheit anfangen soll.“
„Das wird die Zukunft zeigen, Freund Stabener!“ Der Schakal hatte seinen Beutel vom Boden hochgenommen und zog den Holzkasten hervor, den er neben dem schwarz gekleideten toten Ordensmitglied gefunden hatte. „Es gibt hier noch etwas, das ich fast vergessen hätte.“ Er stellte den Kasten auf den Boden. „Ich fand es bei den Dreizehn.“ Halef drückte gegen den Deckel, der sofort nach oben schwang. Er hatte damit gerechnet, dass der Kasten verschlossen sein würde. Ein geheimer Mechanismus oder dergleichen, aber der Kasten öffnete sich einfach nur.
„Und?“, fragte Stabener neugierig. „Was verbirgt sich in Eurem geheimnisvollen Kasten?“
„Seht selbst“, sagte Halef und drehte den Kasten so, dass auch Stabener hineinsehen konnte. „Eine Art Armbrust ...“ Stabener nickte. „Eine Art Armbrust, aber das ist die seltsamste Armbrust, die ich je gesehen habe. Wenn ich mir diese Konstruktion ansehe, möchte ich annehmen, dass sie nach vorn und hinten zugleich schießt. Was macht das für einen Sinn?“
„Diese Waffe tötet den, der davor steht und den, der sie abfeuert, gleichzeitig.“, sagte Stabener. „Ganz klar. Mit dieser Waffe wollte ein Sterblicher den Drachen umbringen. Wenn er gleichzeitig mit dem Ungeheuer ins Gras beißt, bleibt nichts, das der Geist in Besitz nehmen könnte. Selbstaufopferung ...“ Halef klappte den Kasten wieder zu und schob ihn in seinen Beutel zurück. „Die Dreizehn müssen sehr entschlossen und willensstark gewesen sein.“, murmelte er. „Mag sein“, wandte Stabener ein. „Aber sie waren nicht gut genug ausgebildet, um es mit einem Gegner wie Vlad Draculea aufzunehmen. Sie haben versagt, letzten Endes.“
Die beiden ungleichen Männer saßen noch lange oben auf dem Burgberg und hingen ihren Gedanken nach. Beide fragten sich, was noch geschehen würde. Sie hatten in den letzten Monaten Dinge erlebt, die sie vorher nie für möglich gehalten hätten. Konnte sich ein Weltbild mehr ändern als das ihre? Sie
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