Leichentuch: Band 2 der Blutdrachen Trilogie (German Edition)
verbrachten die Nacht im Schutz ihrer Höhle und brachen beim ersten Morgengrauen auf. Stabener fing unten am Fluss ein entlaufenes Pferd ein. Halef war zu Fuß schneller und würde sich schneller und besser verstecken können, als wenn er reiten würde. Sie mussten Zeit aufholen. Es waren ungefähr zweihundert Meilen bis zum Meer.
74. Kapitel
Rebekka wusste sofort, was für eine Art Mensch vor ihr stand. Der Seemann stank nach Salz, Schweiß und Alkohol. Er war ein haltloser Halunke, ein Halsabschneider. Für ein paar Münzen würde er sie lachend ans Messer liefern. Aber er besaß ein Boot. Ein Boot, das sie brauchten. Ein Boot, das zum Verkauf stand. Von Steinborn verhandelte schon seit einer Stunde mit dem vierschrötigen Kerl. Rebekka besaß genug Geld, um das Boot zu erwerben, aber der Kerl verlangte einen Fantasiepreis. Er wollte feilschen. Also feilschte von Steinborn. Sie durften nicht zu viel Aufsehen erregen. Es würde sich wie ein Lauffeuer herumsprechen, dass da Leute mit zu viel Geld in der Gegend herumliefen, wenn sie ihm seinen Preis unwidersprochen bezahlen würden. Endlich war man sich einig. Der Kauf wurde mit Handschlag besiegelt. Rebekka und von Steinborn würden sich am Nachmittag mit dem Mann am Hafen treffen. Dort würde er ihnen das Boot übergeben und sie ihm das Geld.
Der Wind war böig und der Regen peitschte durch die Gassen des schäbigen Kaffs am Strand des Schwarzen Meers. Kein Wetter, bei dem man Segel setzte. Sie würden warten müssen, bis das Wetter besser werden würde. Der Wind kam vom Meer. Gegen den Wind konnten sie nicht auslaufen. Von Steinborn traute sich zu, ein Boot bei gutem Wetter und schwacher Dünung sicher steuern zu können, aber ein Ritt über die tanzenden Wellen lag außerhalb seiner Fähigkeiten als Seemann. „Meint Ihr, das Boot wird die Fahrt überstehen? Es sieht nicht sehr seetüchtig aus in meinen Augen.“, sagte Rebekka und wischte sich den Regen aus dem Gesicht. „Es ist ein gutes Boot“, antwortete von Steinborn. „Aber ungepflegt. Ich habe mir Kiel und Rumpf genau angesehen. Eiche. Die Beplankung ist gut und zieht kaum Wasser. Das Segel habe ich nicht prüfen können, aber es wird ein Lateinersegel sein, so wie die Takelage aussieht. Damit komme ich zurecht. Als Junge habe ich oft auf der Ostsee mit ähnlichen Booten gesegelt.“
„Ihr beruhigt mich, Victor.“ Rebekka öffnete die Tür zu ihrer Unterkunft. Es gab kein Gasthaus in diesem kleinen Fischerort, aber man hatte ihnen ein leer stehendes Haus zur Verfügung gestellt. Den Sarg mussten sie draußen im dazugehörigen Stall lassen. Der Besitzer des Hauses hatte darauf bestanden und sich mehrfach bekreuzigt. Sie hatten ihm versichert, dass der Tote eines natürlichen Todes gestorben war und ein alter Seemann. Sein letzter Wunsch sei gewesen, im Meer sein Grab finden zu dürfen. Und sie waren unterwegs, um dem Toten seinen letzten Wunsch zu erfüllen. Bisher hatte man ihnen die Geschichte abgekauft. In der spärlich eingerichteten Hütte saß Hassan-i-Sabbah bei einem heißen Tee. Nazir bewachte den Sarg mit Vlads Körper. Noch hatten sie keinen Ton aus der Holzkiste vernehmen können, der darauf schließen ließ, dass der Vampir erwachen würde. Von Steinborns kleiner Trick schien zu wirken. Der Pfahl im Herzen hielt den Vampir bewegungslos.
„Habt Ihr Euer Gefährt erwerben können?“, fragte Hassan und setzte sich aufrecht. Rebekka nickte und schüttelte ihr nasses Haar. „Wir haben es. Heute Nachmittag wird uns das Boot übergeben und wir übergeben den Kaufpreis. Dann müssen wir nur abwarten, bis der Sturm sich legt ...“ Von Steinborn hängte seinen nassen Umhang nahe des Feuers auf. „Ja, das Wetter … und da sagt man, in Deutschland sei das Wetter schlecht!“ Hassan lachte leise in seinen Teebecher hinein. „Hier kann das Wetter sehr schnell umschlagen. Ich kenne die Gegend recht gut. Normalerweise ist solch ein Sturm schnell vorüber. Morgens schüttet es, als wolle das Wasser die Erde verschlingen und am Abend scheint die Sonne. Aber dieser Sturm dauert schon seit Tagen an. Es regnet, seit wir von Poenari aufgebrochen sind.“ „Irgendwann hört jeder Regen auf, hat jeder Sturm ein Ende. Solange werden wir uns gedulden müssen.“, sagte Rebekka resigniert. „Wir können nur beten, dass es bald so weit ist!“
„Möchtet Ihr auch einen Tee?“ Hassan hielt seinen Becher hoch. „Nicht sonderlich wohlschmeckend, aber es wärmt!“ Rebekka lehnte lächelnd ab. „Ich
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