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Leichentücher: Psychothriller (German Edition)

Leichentücher: Psychothriller (German Edition)

Titel: Leichentücher: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marko Hautala
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gehört.«
    »Nein.«
    Ungewöhnliche Patientenberichte wurden stets von Station zu Station weitererzählt, aber Mikael hörte meist nicht zu, denn der Wahrheitsgehalt der Geschichten nahm mit jeder Etappe merklich ab.
    »Das war eine ganz systematische Tätigkeit. Jede Mieze kahl geschoren und ausgeweidet und in ein großes Einweckglas gelegt. Im Gruselordner beim Chefarzt befinden sich Polizeifotos, die solltest du dir mal ansehen. Die Katzen waren säuberlich aufgereiht, wie gewickelte Puppen.«
    »Hat er sie selbst getötet?«, fragte Mikael. Er stellte sich vor, wie Finne eine Katze schor und sich anschließend mit demselben Rasierer die Schamhaare entfernte.
    »Die meisten. Er hat ihnen den Hals umgedreht, und das ist eine Kunst für sich, sag ich dir. Probier mal, einer lebendenKatze den Hals umzudrehen. Zwei Katzen hatte Finne seiner eigenen Aussage nach am Straßenrand aufgelesen. Er hatte sie mit diesem Salz getrocknet und dann bis zum Hals mit Stofffetzen und Zeitungen und wer weiß was umwickelt. Die ersten hat er offenbar gehäutet und das Fell als Topflappen und Sitzkissen benutzt. Hübsche Geschenkidee für die Schwiegermutter, oder?«
    Mikael lächelte, doch dann wurde ihm klar, wie Finnes Geschichte vermutlich weiterging.
    Ich habe eine Katze geopfert.
    »Hat er dasselbe mit dem …«, begann er.
    »Hat er. Die Eltern haben den Jungen gefunden, als sie aus der Kneipe kamen, wo sie sich das Eishockeyspiel angesehen haben. Das WM -Finale fünfundneunzig. Ein großer Tag. Ich hatte damals Urlaub und war fürchterlich besoffen. Angeblich habe ich sogar auf der Station angerufen.«
    Es war Autio anzusehen, dass er lieber von der Siegesfeier erzählt hätte, doch sein Berufsethos siegte.
    »Finne dissoziiert die Tat voll und ganz. Er spricht nur von den Katzen, die er geopfert hat. Kein Wort davon, dass er sie mit einem Kissen erstickt hat und von dem ganzen Rest.«
    »Das bisschen Gewissen, das er hat, macht ihm zu schaffen«, sagte Mikael.
    »Hoffentlich.« Autio lachte freudlos.
    »Welche Medikamente bekommt er?«
    »Clozapin, sechshundert Milligramm seit ein paar Jahren. Vorher hatte er schon bis zu neunhundert gekriegt, aber das war selbst Jokelas Meinung nach zu viel für einen Mann in seinem Alter. Mal sehen, ob die neue Chefärztin was anderes ausprobieren will. Bisher hat kein Präparatwechsel irgendeine Wirkung gezeigt. Seine Akte ist quasi ein Abriss der Geschichte der Pharmaindustrie.«
    Autio stand auf und ging zur Tür.
    »Viel Spaß bei der Lektüre. Finne ist einer der seltsamstenFälle in der Klinik. Wenn die Schweigepflicht nicht wäre, würde ich ein Buch über ihn schreiben.«
    »Aber friedlich ist er offenbar gewesen?«, fragte Mikael und blätterte in der Mappe. »Von Anfang an?«
    »Ja.« Autio lachte auf. »Mit Finne kommt man klar, wenn man sich nicht einbildet, er würde je geheilt. Der verlässt die Klinik mit den Füßen voran und ohne Schamhaare. Patienten, die so fit sind, entschlummern irgendwann einfach so in ihrem Zimmer oder im Aufenthaltsraum, und bis zur Medikamentenausgabe merkt keiner was.«
    Mikael tat, als betrachte er Finnes Unterlagen, doch die Buchstaben tanzten vor seinen Augen. Er zögerte, die Frage zu stellen, gab sich schließlich einen Ruck.
    »Was denkst du über meine Versetzung?«
    Autio blieb auf der Schwelle stehen und sah an Mikael vorbei.
    »Was sollte ich denn darüber denken?«
    »Du weißt ja wohl, was passiert ist?«
    »Natürlich weiß ich das«, antwortete Autio. »Ich war während der Ausbildung als Praktikant auf Station D. Ich weiß genau, wie es da zugeht. Einmal habe ich mit dem bärtigen Fettsack gekämpft, mitten im Aufenthaltsraum, und keiner hat mir geholfen. Ich habe gehört, wie die Kerle im Stationszimmer gelacht haben. Dabei hätte es mir wirklich an den Kragen gehen können. Ein Wunder, dass ich die Ausbildung nicht geschmissen habe.«
    Mikael kannte den bärtigen Fettsack. Einer der Patienten, die er bestimmt nicht vermissen würde.
    »Gut«, sagte er und wünschte sich, Autio würde ihm in die Augen sehen wie bei dem Gespräch über Finne. »Ich konnte in der Situation nicht anders handeln, auch wenn manche behaupten, bei mir wäre was ausgerastet. Und das hat nichts mit meiner …«
    »Ich glaube dir, mach dir keine Gedanken darüber.«
    Blickkontakt, endlich. Die Sache war erledigt.
    Als Autio die Tür geschlossen hatte, setzte Mikael sich an den Tisch, schlug Finnes Akte auf und begann zu lesen.
    Am 7. 5. 1995 tötete Olavi

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