Leichentücher: Psychothriller (German Edition)
Finne den fünfjährigen Sohn (Name entfernt) seines Neffen (Name entfernt). Finne war gebeten worden, das Kind zu hüten, während die Eltern in einem Lokal das Eishockeyspiel ansahen. Die Eltern fanden den Jungen kurz nach Mitternacht in seinem Bett. Das Opfer war erstickt worden, offenbar mit einem Kissen. Finne hatte dem Jungen die Haare und die Augenbrauen geschoren, ihn mit einem Küchenmesser der Länge nach aufgeschnitten, mit Ausnahme der Lunge alle inneren Organe entfernt und in vier Plastikeimern neben dem Opfer deponiert. Finne hielt sich noch in der Wohnung auf, als die Eltern dort eintrafen. Die Eltern riefen um 24.23 Uhr die Polizei, die zusammen mit dem Notarzt um 24.45 Uhr eintraf. Finne widersetzte sich der Festnahme nicht und stritt die Tat nicht ab. Infolge seiner Wahnvorstellungen aber konnte bei der Vernehmung kein volles Geständnis protokolliert werden. Aufgrund des Beweismaterials und des Teilgeständnisses wurde er als Tatschuldiger identifiziert.
Die Polizei fand in Olavi Finnes Keller insgesamt 47 tote, behandelte (»mumifizierte«) Katzen. Olavi Finne sagte aus, er habe die meisten selbst getötet und behandelt.
Aufgrund der besonderen Tatumstände und der Verwirrtheit des Beklagten ordnete das Amtsgericht Vaasa am 10. 6. 1995 eine Untersuchung des Geisteszustandes an. Die Untersuchung begann am 27. 7. 1995. Nachdem das Amtsgericht Vaasa Finne am 25. 10. 1995 (hauptsächlich aufgrund der Untersuchungsergebnisse) wegen Unzurechnungsfähigkeit für nicht straffähig erklärt hatte, wies die Rechtsinstanz der Gesundheitsbehörde ihn am 3. 12. 1995 zur Zwangsbehandlungein (Diagnose: paranoide Schizophrenie, Klassifikation nach ICD -10: F 20.0).
Olavi Finne wurde am 1. 6. 1927 in Helsinki geboren. Sein Vater Oskar Finne wurde im April 1944 an der Front vermisst. Seine Leiche wurde nie gefunden, und er kehrte auch nicht aus Kriegsgefangenschaft zurück. Die Mutter Sofia Finne (geb. Ranta) meldete ihren Sohn am 5. 6. 1944 als vermisst, zog die Anzeige aber später zurück. 1945 tauchte Olavi Finne in Vaasa bei seinem Bruder Kaarlo Finne auf (erste offizielle Registrierung am 23. 11. 1945, Lohnzahlung der Staatlichen Eisenbahn an Olavi Finne). Kaarlo Finne war sechs Jahre älter als sein Bruder und hatte im Krieg sowohl auf der Karelischen Landenge als auch in Lappland gedient. Offenbar verschaffte er Olavi Finne eine Stelle bei der Staatlichen Eisenbahn, wo dieser arbeitete, bis er 1990 pensioniert wurde. Die Brüder wohnten gemeinsam in Kaarlo Finnes Mietwohnung und später in einem Einfamilienhaus aus dem Kriegsveteranenprojekt, das Olavi Finne erbte, als sein Bruder am 30. 11. 1982 starb. Kaarlo Finne hatte ihn in seinem Testament als Erbe des Hauses eingesetzt. Der Neffe des Patienten hat das volle Besitzrecht über das Haus beantragt, nachdem Olavi Finne in die Klinik eingewiesen wurde. Die Angelegenheit wurde am 4. 6. 1996 und am 8. 9. 1999 vor dem Amtsgericht Vaasa behandelt.
Olavi Finne zeigt keine Krankheitseinsicht und reagiert nicht erkennbar auf Neuroleptika (s. Dokumentation der medikamentösen Behandlung). Zeitweilig Stupor-Verhalten, aber im Allgemeinen reagiert der Patient auf Fragen. Die Antworten sind jedoch nahezu ausnahmslos wahnhaft, auch in Dingen, die normale Abläufe auf der Station betreffen. Finne zeigt keinerlei Verständnis für den Zusammenhang zwischen seinen Wahnvorstellungen und einer psychischen Erkrankung. Der Patient hat eine außerordentlich starke Neigung, neutraleEreignisse auf sich selbst zu beziehen, und interpretiert sie häufig als Prophezeiungen hinsichtlich seines Ablebens. Der Patient zeigt keine aktive Suizidtendenz.
Mikael las auch die Papiere über Olavi Finnes Einlieferung und das ursprüngliche Gutachten, doch diese Unterlagen enthielten kaum etwas Interessantes, die Berichte der Ärzte noch weniger. Die deutschen Bücher, die Autio erwähnt hatte, waren im Untersuchungsbericht aufgelistet.
Es fiel Mikael schwer, sich Finne als Bücherwurm vorzustellen, der sich um den Verstand gebracht hatte, indem er mit seinem spärlichen Schuldeutsch Sachbücher las. Die Ärzte waren offenbar derselben Ansicht gewesen, denn die Werke wurden mit einer kurzen Bemerkung abgetan: möglicherweise von Bedeutung für die Oberflächenstruktur der Wahnwelt.
Abgesehen von der schlechten Genesungsprognose schien Finne ein idealer Patient zu sein. Kooperationsbereit, nahm seine Medikamente, keine motorischen Störungen, allgemeiner Gesundheitszustand gut. Nur
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