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Leichentücher: Psychothriller (German Edition)

Leichentücher: Psychothriller (German Edition)

Titel: Leichentücher: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marko Hautala
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herrschte. Die Frau trug den Käfig wie eine teure Kristallschale.
    Mikael parkte im Halteverbot und ging in den Laden.

22
    »Für mich?«, fragte Saana und sah ungläubig auf den Vogelkäfig.
    »Oder für uns. Man kann ihn auch einfach nur als Dekoration aufstellen.«
    »Muss man wohl, so klein, wie er ist.«
    Saana lachte auf und legte die Fingerspitzen an ihre Schläfen. Mikael erinnerte sich an diese Geste aus der Zeit, als die Behandlungen besonders hart gewesen waren. Er versuchte, sich das Licht und den langsamen Rauch während des morgendlichen Staus ins Gedächtnis zu rufen, doch das alles war schon vor vielen Stunden vergangen. Draußen dämmerte es, und wenn man den Kopf nach links drehte, sah man durch das Küchenfenster ein Etagenhaus, hinter dessen Lichtquadraten man sich keine Menschen vorstellen konnte.
    »Aber hübsch ist er«, sagte Saana und öffnete die Käfigtür, ließ sie einen Spaltbreit offen.
    Im Bett drehte Saana die Seiten ihres Buchs zu schnell um, als dass sie jede Zeile hätte lesen können.
    »Du glaubst doch nicht an Zufälle«, sagte Mikael.
    Das Blättern stoppte.
    »Nein.«
    »Dann hast du nicht nur zufällig gesagt, dass du gern Vögel hättest.«
    Mikael spürte Saanas Blick auf seiner rechten Gesichtshälfte. Er hatte immer bezweifelt, dass man Blicke spüren konnte,aber es war tatsächlich so. Der Instinkt des Beutetiers: Du bist gesichtet, Verstecken hilft dir nicht mehr.
    »Ich habe von Vögeln gesprochen«, sagte Saana irgendwie verlegen. »Du hast mir einen Käfig gebracht.«
    »Na, es geht doch nicht an, dass die Vögel frei durch die Wohnung flattern. Da scheißen sie ja alles voll, fliegen durchs Fenster und sind weg.«
    Das Blickgefühl hielt noch eine Weile an, dann verschwand es. Irgendwo im Dschungel wäre das ein Grund zum Aufatmen gewesen.
    Wieder fing das nervöse Blättern der Buchseiten an. Sie hatten Saana nichts Bedeutsames zu bieten.
    Mikael stellte sich vor, wie die Vögel aus dem Käfig flatterten, das Fenster durchstießen, als wäre es Wasser, und in die Nacht entflogen.

23
    Finnes Anmache kam bei der Besprechung am nächsten Morgen aufs Tapet. Auf der Station fing eine neue Praktikantin an, Mina mit Vornamen, den Nachnamen hatte Mikael nach der Vorstellung sofort vergessen. Mina saß in einem zu großen Kittel im Stationszimmer. Sie hatte volle rote Lippen, und unter den Augen lagen schwarze Schatten.
    »Der Finne war bisher ganz friedlich«, erklärte Autio ihr, »aber jetzt hat er versucht, Maila zu zwingen, ihn anzufassen. Geh also nicht allein zu ihm ins Zimmer oder in die Patientenküche.«
    Es gab nicht viel auf der Station, womit man der Arbeit den Nimbus einer Friedensoperation verleihen konnte, doch Autio tat sein Bestes. Die Praktikantin nahm die Warnungen ernst, nickte wie bei einem Einstellungsgespräch.
    »Siinto, hast du schon mit ihm darüber gesprochen?«, wandte sich Autio an Mikael.
    Dass er ihn mit dem Nachnamen ansprach, lag ebenfalls an der Anwesenheit der Praktikantin.
    »Ich bin noch nicht dazu gekommen. Maila hat gesagt, es sei nicht so ernst gewesen.«
    »Wir sollten das nicht bagatellisieren«, fiel Autio ihm ins Wort. »Versuch, ihm die Spielregeln klarzumachen, gerade jetzt, wo eine neue Mitarbeiterin im Haus ist. Mach das bitte gleich als Erstes, während ich Mina durch die Station führe und die anderen mit der Morgenpflege beschäftigt sind.«
    Zustimmendes Schweigen.
    »Na dann«, sagte Autio und warf die Mappe auf den Tisch. »Be careful out there.«
    Die anderen grinsten, aber die Praktikantin war zu jung, als dass sie Polizeirevier Hill Street gesehen hätte.
    Beim Aufstehen verspürte Mikael unvermittelt eine erdrückende Todesangst, die sich einfach so im Alltag zeigen konnte. Sie ließ die Haut aufs Äußerste anspannen und verschwand wieder, wenn man ihr keine Aufmerksamkeit schenkte.
    Mikael ließ sich das Tablett mit Finnes Medikamenten geben und betrat das Zimmer des Mannes, ohne anzuklopfen.
    Finne war ausnahmsweise bekleidet. Schaukelnd saß er auf dem Bettrand und blickte nach draußen. Als Mikael das Tablett abstellte, bemerkte er einen dunkelbraunen Fleck auf Finnes Unterhemd. Er war auf dem schmutzig weißen Stoff ausgelaufen wie Tinte auf einem Löschpapier.
    »Guten Morgen«, sagte Mikael. »Sie können sich wohl denken, worüber ich Ihnen in Autios Auftrag eine Predigt halten soll.«
    Finne schaukelte weiter.
    »Haben Sie mich gehört?«
    Mikael konnte den Blick nicht von dem Fleck lösen.
    »Ist das

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