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Leichentücher: Psychothriller (German Edition)

Leichentücher: Psychothriller (German Edition)

Titel: Leichentücher: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marko Hautala
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darin. Das zuckende Auge eines Kindermörders.
    »Das ist ihr Schicksal«, sagte Finne, »wenn sie etwas sehen, was sie nicht sehen dürfen.«
    In seiner Stimme lag ein neuer Ton. Es war schwierig, ihnzu deuten, ihn einem Gefühlszustand zuzuordnen, aber er war neu. Müde, unkontrolliert.
    »Kleine Jungen?«
    »Katzen. Das liegt an ihren Augen. Die werden gesehen, wenn sie hinschauen. So ist es immer gewesen. Daran kann ich nichts ändern.«
    »Was sehen sie?«, fragte Mikael.
    Finnes Blick schweifte eine Weile umher, dann ließ er den Kopf hängen und rieb sich mit einer langsamen, kreisenden Bewegung die Augen. Als er zu sprechen begann, war seine Stimme irgendwie blanker. Als hätte ein Krampf sich gelöst, aber der Schmerz wirkte noch nach.
    »Ich war ein großer Mann«, sagte er. »Ich erinnere mich noch gut daran. Der Tempel war voller Katzen und Sklavinnen. Schöne Sklavinnen, die von weit her gebracht wurden, aus fremden Häfen. So schön, dass man manchmal fast den Verstand verlor, weil man sie nicht sofort berühren durfte. Während der Hathor-Rituale waren sie überall, ihre Lippen, Haare, Ärsche und Titten. Wir durften alles mit ihnen machen.«
    Mikael sah das Zucken zuerst nur aus den Augenwinkeln. Es verwandelte sich in eine kontinuierliche, langsame Bewegung. Er betrachtete den allmählich anschwellenden Penis des Mannes.
    »Ich war dort, so, wie ich jetzt hier bin«, sagte Finne, wie um sich selbst zu überzeugen. »Ich habe sie angefasst.«
    Sein Penis zuckte, die runzligen Säcke leerten sich, als die Hoden aufstiegen. Kriegt er ihn noch hoch?, dachte Mikael. Bei alten Knackern sollten die Schwänze doch besser nur noch zu schmerzhaftem Pinkeln taugen. Er lehnte sich zurück und warf einen Blick auf das Fenster in der Tür.
    Jemand huschte daran vorbei.
    Mikael versuchte, sich die Gestalt in Erinnerung zu rufen, doch vor seinem inneren Auge flitzten undeutliche Bilder vorbei, von denen jedes hätte wahr sein können. Allis schnurgeraderScheitel. Autios Brille. Der wirre Schopf eines Patienten. Vielleicht nur der Schatten einer Bewegung im Aufenthaltsraum.
    Der Gedanke führte blitzschnell zu einem zweiten: Hatte jemand gesehen, wie Finne ihn im Bad berührt hatte?
    »Da war zum Schluss schon alles durcheinander«, fuhr Finne fort, offenbar ohne sich seiner Erektion oder der vorbeihuschenden Gestalt am Fenster bewusst zu sein. »Einige von ihnen verloren das Bewusstsein, vielleicht auch das Leben. Es war eine so verworrene Zeit, keiner von uns hat es böse gemeint. Verworren war es …«
    Die Worte rissen Mikael aus seinem Verfolgungswahn. Finne öffnete die Augen und starrte angestrengt vor sich hin. Als bemühte er sich, ein Erinnerungsbild heraufzubeschwören. Mikael hatte das Gefühl, der alte Mann hätte gerade ein Geständnis gemacht oder machen wollen, und er hatte nicht zugehört.
    »… das Licht und der ständige Brandgeruch, das war alles so merkwürdig. Das hat die Menschen irgendwie verändert …«
    Was er sagte, klang bedingungslos, ganz anders als eine ungeschickte Lüge oder der Versuch zu manipulieren. Der Penis des Alten hatte kapituliert, seine Visionen und seine müde Begierde aufgegeben, sich wieder in einen verrunzelten Pilz zwischen den Schenkeln verwandelt. Finne war nichts weiter als ein Sack aus lederner Haut, Knochen und alternder Organe.
    »Ich muss mich hinlegen«, seufzte er.
    Mikael betrachtete das ausdruckslose Gesicht und wünschte, Finne würde weiterreden, wagte aber nicht, ihn dazu aufzufordern.
    »Du kannst gehen«, sagte der Alte und strich sich zerstreut über die Nase, betrachtete dann seine Handfläche, als wäre etwas daran hängen geblieben.
    »Aha«, seufzte Mikael. »Dann wünsche ich angenehme Ruhe.«
    Er ging zur Tür und war plötzlich froh, das stickige Zimmer verlassen zu können, das nach der Lust eines alten Mannes roch. Seine Hand blieb jedoch auf der Klinke liegen, weigerte sich, sie herunterzudrücken. Finnes Gestalt war als blasse Spiegelung im Türfenster zu sehen.
    »Was haben Sie eigentlich neulich mit mir gemacht?«, hörte Mikael sich fragen.
    Finne schwieg so lange, bis Mikael beschloss, aufzugeben.
    Da sagte der Alte plötzlich: »Ich habe ihn nur geweckt.«
    »Wen?«
    »Deinen Sekhu.«
    »Was …«
    »Er hat versucht, tot zu sein«, erklärte Finne.
    Mikael öffnete den Mund, hielt das Wort jedoch im letzten Moment zurück. Er drückte die Klinge herunter und trat über die Schwelle.
    Von draußen sah er, wie Olavi Finne sich auf das

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