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Leichentücher: Psychothriller (German Edition)

Leichentücher: Psychothriller (German Edition)

Titel: Leichentücher: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marko Hautala
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Blut?«, fragte er.
    Finne hielt inne. Sein Kopf ruckte zur Seite, als wollte ein Teil seiner Person antworten. Mikael trat näher und zeigte auf den Fleck.
    »Ist das Blut?«
    Finne schmatzte mit den Lippen und zog das Hemd hoch. Die faltige Haut straffte sich, als er den Rücken durchdrückte und den Brustkorb enthüllte. Einer der Streifen von geronnenem Blut reichte bis an den oberen Rand der Hose.
    Mikael starrte auf das Geflecht kleiner, sich kreuzender Schnitte auf der linken Seite des Brustkorbs.
    »Womit haben Sie das gemacht?«
    »Ich habe getan, was ich getan habe.«
    Die Stimme war noch heiser vom Schlaf.
    »Begreifen Sie, dass Ihre Sachen weggeschlossen werden, wenn Sie so etwas tun?«
    »Es gibt nichts wegzuschließen«, sagte Finne.
    Die Schnitte waren offensichtlich in einem Anfall von Wut und mit einem eher stumpfen Gegenstand ausgeführt worden. Gleichzeitig verrieten sie Zielstrebigkeit. Betrachtete man das symmetrische, kreisartige Muster, das sie bildeten, sah man, dass die blasse Haut um die Schnitte weißer wurde, die Wunden traten deutlich hervor.
    Mikaels Gleichgewicht geriet ins Wanken. Er stützte sich mit einer Hand auf den Tisch, sicherheitshalber. In seinem Kopf kreisten halb bewusste Rechenoperationen, sinnlose Zahlen tauschten den Platz.
    »Bleiben Sie sitzen«, sagte Mikael und verließ das Zimmer. Er holte Verbandszeug aus dem Stationszimmer. Vor seinen Augen schwebte ein Nachbild des in die Haut geritzten Zeichens, das sich bei jedem Blinzeln veränderte. Als Mikael ins Zimmer zurückkam, hatte Finne das Hemd ganz ausgezogen; er wusste, dass eine Behandlung anstand.
    »Hinlegen!«, befahl Mikael und befeuchtete einen Wattetupfer mit Desinfektionsmittel.
    Finne gehorchte, und Mikael reinigte behutsam die Wunde. Finne zuckte unter der Berührung nicht zusammen, er starrte an die Decke, in Gedanken versunken.
    »Hat das mit dem Vorfall von gestern zu tun, mit Maila?«, fragte Mikael.
    Finne gab ein dumpfes Röcheln von sich, wie ein Husten, das nicht bis in den Mund aufstieg.
    »Was Sie da gemacht haben, ist sinnlos, das wissen Sie doch, in Ihrem Alter. Wenn man einen Fehler macht, entschuldigt man sich und benimmt sich danach anständig.«
    Mikael sprach nicht weiter. Das väterliche Geschwätz wirktebei den meisten Patienten, weil es ihrem Gefühl der Hilflosigkeit entsprach, aber in Finnes Fall klang es irgendwie peinlich. Er klebte den Gazeverband über die Wunde, wartete noch, bis Finne seine Medikamente genommen hatte, und verließ das Zimmer.
    Auf dem Weg zum Stationszimmer kam er an Laukkanen vorbei.
    »Ist Anupis in Ordnung?«
    Mikael blieb stehen.
    »Wieso?«
    Er sah Laukkanen fest in die Augen.
    »Wieso was?«
    »Wieso fragst du nach Finne?«
    »Nur so!«, rief Laukkanen. Er hatte sich die Ohrstöpsel so fest in die Ohren gesteckt, dass die Kabel auf beiden Seiten waagerecht vom Kopf abstanden. Von der Musik war nur ein Zischen in der oberen Stimmlage zu hören. Mikael setzte seinen Weg fort.
    Im Stationszimmer setzte er sich an den Computer und rief Finnes Akte auf.
    Der Patient hat sich mit einem unbekannten (der Art der Verletzung nach stumpfen) Gegenstand auf der linken Seite des Brustkorbs …
    Ja, was hatte er dort eingeritzt?
    … eine Nummer eingeritzt. Sie gleicht einer Acht …
    Mikael drückte die Back-Space-Taste, bis der Kursor wieder am oberen Rand der leeren Seite blinkte.
    Die Berichte wurden auf dem PC geschrieben und unter dem Namen des Patienten abgespeichert; zusätzlich wurden sie ausgedruckt und in einem Ordner abgeheftet. Informationen über die Patienten durften unter keinen Umständen elektronisch übermittelt werden. Der Rechner, an dem die Berichte geschrieben wurden, war nicht einmal mit dem Internet verbunden. Wenn die Pfleger Zugang zum Netz brauchten, benutztensie denselben Computer wie die Patienten. Er stand in dem Zimmer neben dem Stationszimmer, in dem auch die Chefärztin ihre Gespräche mit den Patienten führte.
    Das Ausdrucken war das A und O, das Anklicken des Druckersymbols bestätigte, dass der Bericht gespeichert war und bei der Übergabebesprechung mit den anderen Mitarbeitern geteilt werden konnte. Damit ging die Verantwortung offiziell auf die ganze Station über.
    Und genau das unterließ Mikael. Er saß vor dem Monitor, zuckte, als wollte er aufstehen, blieb aber sitzen und versuchte es noch einmal.
    … ritzte an der linken Seite des Brustkorbs die Nummer …
    Mikael schloss das Dokument, ohne es zu speichern, und zwang sich,

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