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Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)

Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)

Titel: Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Shipstead
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Knopfloch eine weiße Margerite steckte.
    An den Stufen zum Altar blieben Daphne und Winn stehen. »Jetzt heben Sie ihren Schleier hoch und geben ihr einen Abschiedskuss«, sagte der Pastor.
    »Ja, gut«, sagte Winn. Er verzichtete auf einen Übungskuss, nickte Daphne zu und setzte sich neben Biddy in die erste Bank.
    »Okay«, sagte der Pastor, »aber bitte denken Sie morgen daran, es wirklich zu tun. Jetzt kommt die Braut hier nach oben und reicht der ersten Brautjungfer ihren Strauß. Dann verschränken Braut und Bräutigam die Hände. Gut.«
    Winn beugte sich zu Biddy hinüber, um etwas zu hören, das sie ihm ins Ohr flüsterte, und die Bank quietschte. Livia hörte noch einmal den Knochen in Agathas Finger krachen. Sie hatte durch die Nase ein- und durch den Mund ausgeatmet, bis fünf gezählt und ihn gebrochen. Sie spürte noch immer die Kühle des Fingers in ihrer Hand, sah wie Agathas Augen sich vor Angst weiteten. Agatha hatte gestöhnt, fast hyperventiliert und sich die Hand an die Brust gehalten. Ihr Vater hatte sich als Erstes Agatha zugewandt, die Hände hilflos in der Luft über ihren Schultern. Dann hatte er sich zu Livia umgedreht und geknurrt: »Was hast du dir dabei gedacht ? Was ist bloß mit dir los?« Sie hatte nicht gemerkt, dass sie weinte, doch später, als sie ins Bad gelaufen war, um sich zu sammeln, hatte sie gesehen, dass ihre Wimperntusche verlaufen war und lange dunkle Spuren auf die Wangen gemalt hatte.
    »Livia«, Daphne sah sie an, ohne Greysons Hände loszulassen. Auch der Pastor und Greyson und sämtliche Trauzeugen sahen sie an. »Hast du das gehört?«
    »Was?«
    »Sam Snead hat dir gesagt, du sollst meine Schleppe richten, wenn ich hier oben angekommen bin.«
    »Okay.« Livia bückte sich hinter Daphne und tat so, als ordnete sie ein unsichtbares Kleid. Sterling schnaufte. Sie richtete sich abrupt auf und kehrte an ihren Platz zurück. Sie versuchte doch bloß, bei dem Blödsinn zu kooperieren. Sie und Sterling würden so tun, als ob sie ihnen Ringe reichten; sie würden alle durch den Mittelgang zum Ausgang gehen, vorbei an Bänken voll unsichtbarer Leute, hinter Daphnes unsichtbarer Schleppe und dem Ballon mit ihrem ungeborenen Kind.
    Doch Greyson musste erstmal so tun, als wäre ihm der Ring hingefallen. Er suchte unter den Röcken von Daphnes unsichtbarem Kleid und grinste ihr dabei dämlich zu. Livia schritt neben Sterling zum Ausgang und ließ seinen Arm an der letzten Bank los. Sie marschierte hinaus und weiter über das Gras bis an den Zaun am Rand des Steilufers. Unter ihr war das Meer bläulich schwarz und vom Wind aufgeraut. Unter Wasser lagen gefährliche Untiefen. Dutzende, vielleicht Hunderte von Schiffswracks verrotteten auf dem Grund. Nachts strich das Licht vom Leuchtturm wie ein Gespenst durch das Wasser über ihren Gerippen. Wegen der vielen Wracks war der Leuchtturm schließlich gebaut worden, doch nun musste der Retter seinerseits gerettet werden. Der Leuchtturm am Rand des bröckelnden Steilufers war zu einem altertümlichen Andenken an eine vergangene Insel geworden, auf der es kein Radar und kein GPS gegeben hatte, sondern nur einen kreisenden Lichtstrahl.
    Sterling trat neben Livia. Sie standen schweigend nebeneinander. »Sieht nach Regen aus«, sagte er.
    Sie drehte sich um. Die anderen waren noch am Eingang der Kirche versammelt. Ihr Vater nickte zu allem, was Maude ihm erzählte, vermutlich, dass die Probe so hübsch gewesen sei und die Hochzeit ganz wunderbar sein werde. Agatha hielt Dicky senior die verbundene Hand zur Inspektion hin und lachte, obwohl Dicky in seinem Leben noch nie etwas Witziges gesagt hatte. »Das würde das Wetter nicht wagen. Nicht zur Hochzeit von Daphne Van Meter.«
    »Hör mal zu.«
    Livia kratzte an einer Flechte am Zaunbalken. »Was ist?«
    »Ich wollte sagen – wenn ich gewusst hätte, wie viel es dir ausmacht, hätte ich es nicht getan.«
    »Es?«, fragte sie. »Was heißt ›es‹? Mit ihr oder mit mir?« Er starrte sie an, die whiskeyfarbenen Augen so ausdrucksleer wie Knöpfe. »Okay«, sagte sie. »Sag gar nichts. Glotz mich bloß an.«
    »Ich dachte, Augenkontakt wäre was Gutes.«
    »Augenkontakt mit dir ist wie Augenkontakt mit einem ausgestopften Elchskopf.«
    Sein Blick ruhte weiter unverwandt auf ihr, während er sich nach Zigaretten suchend auf die Taschen klopfte. »Schau, ich wollte nicht, dass das, was zwischen uns war, irgendwie ein großes Ding wird. Wenn ich das nicht klargemacht habe, dann entschuldige

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