Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)
ohne jede Bedeutung. Er hatte sich so dumm verhalten. Sie war gut zu ihm gewesen; sie war gut. Sie schnitt ihrer Tochter klaglos das Essen. Er hatte Sterling Vorträge darüber gehalten, wie man sich als Gentleman verhielt, und dabei war er selbst ein Mann, der im Pequod nicht willkommen war. Ein für alle Mal.
Nach Francis hielt Maude ihre Rede. Die Wörter schön und wundervoll durchzogen ihre Sätze wie Zimbelschläge, und er merkte, dass es seinem Bein besser ging, vielleicht dank des Alkohols oder der Pille von Sam Snead. Er kostete seine Crème brûlée. In seinen Ohren klang es, als zermahlten seine Zähne laut den karamellisierten Zucker. Livias Tischrede war kurz, geistreich, tief empfunden, eine nette Präsentation von Schwesternliebe. Dicky senior erzählte eine Geschichte über Oliver Wendell Holmes. Piper erging sich in endlosen, beschwipsten Anekdoten über Daphnes Jugendsünden, ihre Exfreunde, heimliche nächtliche Fluchten aus dem Wohnheim und Trinkeskapaden, bis Dominique sie elegant wieder auf ihren Stuhl zog. Nach ihr erhob sich Dominique, und ihr orangefarbenes Kleid leuchtete warm im Kerzenlicht. »Daphne und Greyson«, sagte sie, »ich überreiche euch einen Strauß aus Klischees. Ich wünsche euch Gesundheit, Wohlstand und Weisheit. Möge euch alles im Leben entgegenkommen. Möge der Wind euch immer von hinten anwehen, und möge euer Gästezimmer mir immer offen stehen.« Sie setzte sich.
»Hört, hört!«, rief Dryden vom anderen Tisch.
Dicky junior klopfte mit einem Löffel an seine Kaffeetasse. Er sei selbst frisch verheiratet, sagte er und erläuterte mit ein paar müden Sätzen, warum die Frau immer recht habe. Mrs Dicky saß mit versteinerter Miene neben ihm, trommelte leise mit den Fingern auf der Tischdecke, um für ihr Black Berry gelenkig zu bleiben. Nach ihm würde Winn an der Reihe sein. Biddy vermied es nach Möglichkeit, Tischreden zu halten. Einer der seit langem bestehenden Zusatzartikel zur Verfassung ihrer Ehe lautete: Wenn eine Tischrede zu halten war, musste Winn ran. Gewöhnlich machte ihm dasFreude. Ihm gefielen die Eleganz, die erforderliche Selbstkontrolle, die öffentliche Zurschaustellung von Geist und Geschmack. Wenn er nach einem Festmahl vor einem Raum voll Menschen stand, fühlte er sich wie ein echter Patriarch. Doch jetzt war er betrunken und von der Pille benommen und hatte noch keinen Gedanken daran verschwendet, was er sagen wollte. Trotzdem schlug er, als Dicky junior endlich wieder Platz genommen hatte, ein paarmal ans Glas, stützte sich so schwer auf den Tisch, dass er das Tischtuch mitsamt Geschirr und Gläsern ein Stück zu sich heranzog, und stand auf.
»Nun«, sagte er. Alle wandten ihm erwartungsvoll die Köpfe zu. Er schaute auf die zersprungene Oberfläche seiner Crème brûlée und suchte nach Worten. Nichts kam. Er räusperte sich. »Nun.«
Er ließ sich auf seinen Stuhl fallen. Doch dann schnellte er sofort wieder hoch, nicht weil ihm etwas eingefallen war, was er hätte sagen können, sondern weil er im Niedersinken die Verwirrung und Gekränktheit in Daphnes Gesicht gesehen hatte. »Ihr werdet mir vergeben müssen«, sagte er. »Francis ist nicht der Einzige, der heute ein Missgeschick erlebt hat. Mit ist ein bisschen schummrig. Ich fühle mich ein bisschen benebelt. Aber ... ich möchte ... ich möchte ... Daphne und Greyson meine Glückwünsche aussprechen. Was für ein famoses Paar. Meine Freude darüber, dass sich diese famosen jungen Leute gefunden haben, könnte nicht größer sein. Ich kann nicht behaupten, ein Experte in Liebesdingen zu sein, aber ich bin seit fast dreißig Jahren verheiratet, fast mein halbes Leben.« Er hielt inne. Er dachte, jemand würde vielleicht applaudieren, aber nichts rührte sich. »Und ich möchte Daphne und Greyson sagen, dass die Ehe kein Zuckerschleckenist, sondern vielleicht das Schwerste, was man im Leben auf sich nehmen kann, außer der Aufzucht von Kindern, was euch ja ebenfalls demnächst bevorsteht, aber ich glaube, diese beiden jungen Leute werden die Herausforderung bestehen. Sie sind beide zuverlässige, verantwortungsbewusste junge Menschen, die, meine ich, verstanden haben, was für eine ungeheure Verpflichtung sie im Begriff sind einzugehen, und die zu dieser Verpflichtung stehen werden. Denn die Ehe ist nun einmal eine Entscheidung, eine Zusage – nichts Vorherbestimmtes. Wenn ihr morgen vom Altar tretet, werdet ihr noch ein ganzes Leben der Entscheidungen, Versuchungen, der Zweifel
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