Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)
pulsierenden Dreieck ihrer Gebärmutter etwas zu erkennen, was wie ein Mensch aussah –, aber sie fragte nicht, um nicht morbide oder seltsam zu erscheinen. Auch das Ding unter der Stoffmütze hätte sie gern gesehen, die Maschine, aber sie traute sich nicht, darum zu bitten. Sie wollte nicht wie eine Touristin klingen. Sie sollte sich lieber auf das konzentrieren, was hinterher war, und nicht auf den Eingriff selbst. Schließlich hatte die sich für eine Vollnarkose entschieden. Manche würden eine örtliche Betäubung wählen, hatte die Sprechstundenhilfe am Telefon gesagt. Manche würden ganz auf eine Narkose verzichten, aber das sei nicht zu empfehlen. Wer würde das machen?, fragte sich Livia, während sie aufein Mobile aus gelben und blauen Kreisen starrte, das sich unter der Decke im Luftzug drehte. Wer würde sich der Prozdeur dermaßen aussetzen wollen?
»Nur ein kleiner Stich«, sagte die Schwester und schob ihr eine Nadel in den Arm. Die Ärztin und die Anästhesistin kamen herein.
»Sie werden nur ungefähr fünf Minuten ohne Bewusstsein sein«, sagte die Ärztin sachlich, nahm am Fußende der Liege auf einem Stuhl mit Rollen Platz und legte Livias Beine auf Metallbügel. »Bitte ganz ans Ende rutschen. So ist gut.« Livia spürte den kalten Druck eines Spekulums.
Die Anästhesistin schloss sie an einen Tropf an und legte ihr eine Kunststoffmaske über das Gesicht. »Es kann sein, dass Sie einen metallischen Geschmack im Mund bekommen«, sagte sie, »und dass es in den Fingern prickelt.« Das Mobile drehte sich langsam. Livia würde bis ans Tor gehen, aber sie würde nicht hineinschauen. »Jetzt bitte rückwärts zählen. Angefangen mit Hundert.« Livia schmeckte Aluminium. Sie dachte die Zahlen 99 und 98 und dann nichts mehr.
Winn ließ den grauen Hautlappen von seinem Fisch auf dem Teller liegen und floh aus dem flackernden, windumtosten Zimmer zur Herrentoilette. Er stellte sich ans Urinal und wusch sich anschließend die Hände. Beim Blick in den Spiegel erschienen ihm seine Augen groß, das Gesicht verschwommen. Alles wirkte verlangsamt und nebelhaft. Es gab einen Luftstoß. Die Tür sprang auf, und im Spiegel sah er Jack Fenn, der die roten Augenbrauen hochzog.
»Hallo noch mal«, sagte Winn.
»Winn«, sagte Fenn. »Fee hat schon gesagt, dass ihr hier seid. Schmeckt’s euch?«
Bei Tisch hatte Winn kaum stillhalten können. Vor lauter Unruhe hatte er kaum einen Bissen herunterbekommen. Nur ein Glas Wein nach dem anderen verschwand in seiner Kehle, in so rascher Folge, dass der lächelnde untersetzte Mann, der ihm gegenübersaß und zum Duff-Clan gehörte, fragte, ob er vielleicht derjenige sei, der kalte Füße bekomme. Beim Salat hatte er Agathas Blick aufgefangen und ihr mit einem kleinen Nicken zugezwinkert. Sie schien ihn zu verstehen. »Ja«, sagte er zu Fenn. »Ich glaube, der neue Küchenchef ist in Ordnung. Und du?«
»Keine Klagen.«
Fenn stellte sich an ein Urinal und nahm die entsprechende Haltung an. Winn trocknete sich die Hände ab und lauschte dem Urinfluss des anderen Mannes. »Hör mal«, sagte er. »Wo ich dich gerade hier erwische, ich hätte da noch was mit dir zu besprechen.«
»Fee hat mir von dem Vorfall mit – «
»Mir ist heute, während mein Bein vernäht wurde«, unterbrach Winn, »durch den Kopf gegangen, wie sehr ich mich darauf freue, Mitglied im Pequod zu sein.«
Fenn pinkelte weiter, ohne etwas zu sagen. Winn setzte seine Rede fort.
»Und zugleich habe ich gedacht, wie schade es wäre, wenn etwas aus der Vergangenheit, aus unserer Vergangenheit, zum Hindernis würde. Wie du weißt, ist dies mein dritter Sommer auf der Warteliste, und das kommt mir allmählich sehr lang vor, so lang, dass ich mich zu fragen beginne, ob die Verzögerung nicht vielleicht mit persönlichen Dingen zu tun hat, deswegen wäre es mir lieb zu wissen, dass wir alles Unangenehme hinter uns gelassen haben. Vor allem nach diesem bedauerlichen Vorfall mit dem Caddie.«
»Hmm.« Fenn schüttelte den letzten Tropfen in das Urinal. Er zog den Reißverschluss hoch und betätigte die Spülung. »Ich weiß nicht recht, wovon du sprichst, Winn«, sagte er, während er sich Seife auf die Hände pumpte und sie dann unter dem Hahn wusch. »Ich bin sicher, du wirst nicht versuchen, den Unfall mit Otis zu deinem Vorteil auszunutzen. Ich kenne den Club, und ich würde dir raten, das auf jeden Fall zu unterlassen. Man wird sich mit dem Unfall befassen, aber darauf herumzureiten würde dir mehr
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