Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)
nicht erschließen.
»Niemand kann überall beliebt sein«, sagte Fenn. »Nimm es nicht persönlich. Der Pequod ist sowieso langweilig. Spiel auf dem öffentlichen Platz. Du hast eine wunderbare Familie, weißt du, das ist wirklich ein Grund zur Dankbarkeit.«
»Auf dem öffentlichen Platz?«Winn war fassungslos.
Fenn hielt seinem Blick stand und lächelte bedauernd. Er drückte Winns Schulter leicht zum Abschied und ging zur Tür. »Grüß Biddy von mir«, sagte er. »Und Livia.« Dann winkte er noch einmal und war fort.
Auf dem Rückweg zum Tisch traf Winn in der Bar auf Mopsy, die sich langsam und argwöhnisch im Kreis drehte. »Ich suche den Geschäftsführer«, sagte sie. »In diesem Restaurant herrscht eine erbärmliche Kälte. Ich weiß nicht, warum ihr es ausgesucht habt.«
»Wir haben es nicht ausgesucht«, sagte Winn. »Sondern Dicky und Maude.«
»Das kann nicht sein. Sie wissen, wie wenig ich Kälte mag.«
»Vielleicht«, sagte Winn, »ist das, was du spürst, die Kälte des nahenden Todes.«
Sie bedachte ihn mit einem langen, finsteren Blick. »Kleinbürgerlich, das wird diese Familie jetzt«, sagte sie.
Er ließ sie stehen und kehrte zu seiner Gesellschaft zurück. Auf dem Weg fiel sein Blick auf die Fenns an ihremTisch, mit Ausnahme von Fee alles auffällige Rotschöpfe; sie wirkten so zufrieden im Kreis der Familie, obwohl Fee sich zu Megs Teller hinüberlehnen musste, um ihr das Fleisch zu schneiden. »Was ist los?«, flüsterte Biddy, als er sich wieder an den Tisch setzte, doch er runzelte nur wortlos die Stirn. Bald darauf erschien Mopsy wieder, und Greyson sprang auf, um ihr auf den Platz zu helfen. Die Zeit für Tischreden war gekommen. Als erstes erhob sich Francis, er klopfte mit dem Buttermesser an sein Weinglas, während die Kellnerinnen wie weiße Nachtfalter die Sitzenden umflatterten und Kaffeetassen füllten, Auflaufförmchen mit Crème brûlée verteilten und die letzten Reste aus den Weinflaschen nachschenkten. »Ich würde mich ohne Weiteres auf das Gleiche einlassen wie mein Bruder«, sagte Francis, »und nach dem heutigen Tag habe ich eine bessere Vorstellung, was mich dann erwartet.«
Alles lachte. Herrje, dachte Winn, langsam reicht es mit diesem Wal. Auch mit Daphne, sagte Francis, würde er sich überall sehen lassen, weil sie so verflucht hübsch sei. Winn goss Sahne in seinen Kaffee, und er blühte auf wie eine weiße Rose. Fenn hatte ja keine Ahnung. Fee hatte ihn geliebt. Sie hätte ihn geheiratet, dessen war er sich sicher. Er hatte sogar einen kleinen Wonneschauer gespürt, als er in der Bar ihre Wange geküsst hatte, die verstreuten Eisenspäne einer alten Leidenschaft, die von ihr magnetisch angezogen wurden. Ihr Leib war der nämliche Leib, den er einst besessen hatte, und doch auch wieder nicht. Die Zeit hatte auf ihn eingewirkt, doch war das Alter nicht das Einzige, was sie verändert hatte. Fee wirkte vollkommen anders, sie war eine Andere geworden, weil sie ihm nicht mehr gehörte. Er hatte immer geglaubt, wenn es zwischen zwei Menschen mit demSex vorbei war, dann war es aus zwischen ihnen. Nichts wurde mitgenommen und nichts blieb zurück, abgesehen von den offensichtlichen biologischen Ausnahmen. Zwei Partner lösten sich voneinander und gingen getrennte Wege. Es gab keine seelischen Bande, die sich über die Meilen und Tage dehnten und sie weiter und weiter von ihrer letzten Begegnung fortführten. Gäbe es solche Bande, wäre die Welt mit einem ganzen Netz davon bedeckt: keiner würde sich mehr rühren können; alle würden festsitzen wie Fliegen in einer Spinnwebe. Ihm gefiel der Gedanke, dass er nichts von Fee mitgenommen hatte und sie nichts von ihm. Aber womöglich waren die kleinen Liebesspäne, die magnetischen Rostpartikel, die auf ihren Anblick reagiert hatten, dennoch jahrzehntealte Anteile von Ophelia Haviland, die er in seinem Inneren verwahrt hatte.
Sie war hübsch, und er war so grausam gewesen. War sie hübscher als Biddy? Er konnte sich nicht entscheiden. Eine Erinnerung an sie als junge Frau tauchte auf: Sie saß in einem Sessel am Fenster in ihrer Wohnung am Beacon Hill, ihre Füße auf der Fensterbank, draußen Dächer und grünes Laub. Sie trug einen weißen mit gelben Libellen gemusterten Baumwollmorgenmantel. Er war nur knapp geschlossen; er konnte ihr flaches Brustbein sehen, die Wölbung ihrer Brust, einen blassen Schenkel. Sie drehte sich um und sah ihn an: grüne Augen, die Tatsache, dass sie ein wenig hervortraten, plötzlich
Weitere Kostenlose Bücher