Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)
Dominique überall auf Schritt und Tritt folgte wie ein Entenküken. Agatha hatte sie auch manchmal in den Ferien besucht, doch mit ihr war es weniger gemütlich. Biddy ertappte Winn dauernd dabei, wie er Hundeaugen machte, fand ständig Zigarettenkippen in den Blumenbeeten und wachte nachts auf, wenn Agatha lachend gegen die Wände plumpste, während die anderen versuchten, sie möglichst leise ins Bett zu geleiten. Einmal war Biddy aufgestanden und hatte oben an der Treppe das Licht angeknipst. Da hatte sie alle vier erwischt, Daphne, Dominique, Livia und Agatha, wie eine Opossumfamilie geblendet von der plötzlichen Helligkeit. Agatha lag auf der Seite und hielt sich am Geländer fest, während Dominique versuchte, ihre Finger zu lösen, und die beiden anderen sie an den Füßen festhielten, damit sie nicht um sich trat.
»Und was ist«, Dominique zeigte auf den Sitzplan, »wenn wir ihn an den Tisch mit den Übriggebliebenen setzen?«
»Perfekt«, sagte Biddy. »Aber das mit den Übriggebliebenen gefällt mir nicht.«
Mit der Autorität eines Croupiers schob Dominique die Platzkarte über den Tisch. »Sagen wir also lieber die Mélange .« Sie richtete sich auf und sah Biddy an, einen besorgten Ausdruck im Gesicht. »Wie geht es dir? Ich meine – so wirklich.«
Biddy war von der Frage so überrascht, dass ihr Tränen in die Augen traten. »Mir geht’s gut«, sagte sie und sortierte Karten, um anzuzeigen, wie unwichtig die Tränen waren, denn sie wusste genau, dass sie der scharfsichtigen Dominique nicht entgangen waren. »Bestens. Ich freu mich so für Daphne – ich will, dass alles gut läuft.«
»Ja, klar«, sagte Dominique. »Das ist alles ein irrsinniger Aufwand. Du machst das bravourös.«
Biddy musste sich ein Taschentuch aus der Schachtel auf der Arbeitsfläche ziehen. Sie benutzte keine Wimperntusche, aber sie tupfte die Augen trotzdem vorsichtig von unten, wie es ihre Mutter früher gemacht hatte. So wahrgenommen und genau beobachtet zu werden wie von Dominique, war verunsichernd. Ihre Familie bemerkte sie kaum, aber das konnte sie ihnen nicht verübeln. Sie hatte sich über die Jahre so wenig verändert, dass es kaum jemandem einfiel, näher hinzuschauen. »Es ist viel Arbeit«, sagte sie. »Wirklich wahr.« Das Eingeständnis tat ihr wohl, und so fuhr sie tastend fort: »Und manchmal fühlt es sich an wie der natürliche Ausgang, wenn man eine Tochter großzieht. Man schindet sich, um diesen einen Tag so perfekt wie möglich hinzubekommen, obwohl es für einen selbst ein bittersüßer Tag ist, weil sie einen verlässt – ich weiß, sie hat schon mit Greyson zusammengelebt, aber irgendwie ist das jetzt anders, offizieller. Keine Ahnung, wie diese Wahnsinnsmütter von Schönheitsköniginnen es schaffen, so ’n ganzes Wesen von A bis Z im Griff zu haben: Frisur, Kleidung, Make-up, alles.«
»Genau«, pflichtete ihr Dominique bei. »Ich glaube, na ja, ich weiß nicht, aber für mein Gefühl ist der eigentliche Hammer dieser Anspruch, einer aufgesetzten Vorstellung von Perfektion zu genügen. Gar nicht mal Daphnes, einfach dieser allgemeinen Vorstellung davon, wie eine Hochzeit zu sein hat.«
Biddy neigte den Kopf zu einer Seite. »Aufgesetzte Vorstellung von Perfektion. Hmm. Gut gesagt.« Sie fragte sich, ob Dominique mehr meinte als bloß die Hochzeit. Biddy war es auch sonst nicht fremd, sich dem Lebensentwurf einesanderen zu unterwerfen. Plötzlich verging ihr die Freude an der ehrlichen Aussprache. Das Scheinwerferlicht bekam ihr schlecht. »Ich weiß nicht«, sagte sie und schüttelte den Kopf, als wollte sie Spinnweben loswerden. »Ich meine eigentlich nichts weiter, als dass ich niemanden enttäuschen will.«
»Ja klar«, sagte Dominique und versuchte möglichst beiläufig zu klingen. »Aber man hat eben nicht alles in der Hand. Mach dir keine Sorgen darum, dass jemand enttäuscht sein könnte – es wird alles wunderschön. Da bin ich mir ganz sicher. Perfektion wird sowieso überschätzt. Ich bin dafür, die Grundbedürfnisse abzudecken und danach zu schauen, wofür es noch reicht.«
Mit einem verlegenen Grinsen knüllte Biddy das Taschentuch zusammen und warf es rasch in den Müll unter dem Spülbecken. »Aber was ist mit dir? Das will ich hören!«, sagte sie. »Dein Leben ist so interessant. Erzähl mir alles über Belgien.«
»Ach, es ist ganz nett da. Ich glaube nicht, dass ich dort heimisch werde. Es ist mehr eine Art Übergang. Irgendwie könnte es fast überall sein. Du
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