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Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)

Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)

Titel: Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Shipstead
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richtig aufzuregen.«
    »Du siehst das anders?«
    »Ich will nicht, dass Jack Fenn kommt und uns hier sitzen sieht, wie wir auf sein Haus glotzen.«
    »Das Haus ist unmöglich. Lass dir das gesagt sein. Guck dir nur das Dach an. Millionen von Dollar, und am Ende leckt es.«
    »Dad, Leute wohnen nun mal gern am Meer. Warum sollen sie kein schönes Haus haben, wenn sie das wollen?«
    »Du meinst also, wir sollten alle alles haben, was wir wollen, auch wenn das, was wir haben wollen, ein riesengroßer Schandfleck ist?«
    »Ich finde nicht, dass das Haus ein Schandfleck ist.«
    »Das Haus ist ein Schandfleck.«
    »Ich weiß nicht – jedem das Seine. Wir hätten auch so ein Haus bauen können, wenn wir gewollt hätten, oder? Es ist bloß nicht unser Stil.«
    Vorgebeugt, die Brust ans Lenkrad gepresst, den Kopf in den Nacken gelegt, damit er das Dach betrachten konnte, war Winn über Livias Gebrauch des Plurals erfreut. Es bewies, dass es ihm gelungen war, seine Ästhetik der Qualität, Langlebigkeit und Schlichtheit weiterzugeben. Von Kindheit an hatte er seinen Töchtern erklärt, er werde vor seinem Tod sein gesamtes Geld verschenken, und wenn sie zu Geld kommen wollten, sollten sie es selbst verdienen oder reich heiraten. Sie sollten nicht dieselbe Enttäuschung erleben wie er, als er nach dem Tod seiner Eltern feststellte, dass er kaum mehr geerbt hatte als unerfüllbare Erwartungen. Er hatte sich wacker geschlagen, aber er wusste es zu schätzen, dass ein gewisses Maß an Verfall gut geeignet war, alten Wohlstand vorzutäuschen. Schäbigkeit aus Geldmangel war leicht als Bescheidenheit und Sparsamkeit zu tarnen – wobei er sich wahrhaftig nicht der Tatsache zu schämen brauchte, dass er ein schlichtes hartverdientes Sommerhaus besaß und nicht so einen Protzbau am Meer wie diesen.
    »Stimmt doch, oder?«, bohrte Livia weiter. »Wir machen Sachen einfach anders. Du hast für tolle Häuser nichts übrig.«
    »Wozu brauchen sie so einen Riesenkasten?«, sagte er. »Will Teddy tausend Kinder haben?«
    Livia zog die Blumen für die Duffs auf ihren Schoß. »Das ist wirklich meine allerletzte Sorge, falls er denn überhaupt lange genug lebt, um sich fortzupflanzen.«
    »Sei nicht so melodramatisch. Ihm wird nichts passieren. Die Tochter wird jedenfalls keine bekommen.« Er schlug sie aufs Knie. »Hör zu. Ich möchte nicht, dass du denkst, die Sache mit der Army hätte was mit dir zu tun.« Er fuhr um den Fahnenmast und wieder auf die Straße. Livia hatte sich hinter rosa und orangenfarbenen Blumen und gewundenem blättrigen Grün versteckt, ein Tiger in einer Wiese.
    »Und was ist, wenn Teddy und ich uns versöhnen?«, fragte sie.
    »Das halte ich eher für unwahrscheinlich.«
    »Vielen Dank!«
    »Glaubst du denn selber dran?«
    »Keine Ahnung. Ich meinte nur so.« Sie zog die Vase noch näher zu sich heran. »Was hättest du gemacht, wenn ich so geboren wäre wie Meg Fenn?«
    »Das weiß ich nicht. Ich denke, ich hätte mich daran gewöhnt.«
    »Echt?«
    »Ich glaube, in so einem Fall wächst man an der Herausforderung.« In Wirklichkeit konnte sich Winn nicht vorstellen, seine erwachsene Tochter an der Hand zu halten, während sie neben einem Berg Tomaten stand und blökte.
    »Wenn Daphne so auf die Welt gekommen wäre, hättest du dann noch ein zweites Kind gewollt?«
    »Das kann ich nicht sagen.«
    »Hättest du gewünscht, du hättest nie ein Kind bekommen?«
    »Dieses Gespräch ist unsinnig.«
    Am Enderby Hotel stieg Livia mit den Blumen aus und brachte sie hinein. Beim Wiederkommen wirkte sie ohne ihren tragbaren Dschungel nackt, und das Auto fühlte sich leer an.
    Als er den Landrover vor dem Haus abgestellt hatte, sagte Winn: »Sag deiner Mutter, ich komme gleich nach.« Livia nahm zwei der Einkaufstüten und ging hinein, und Winn lief an der Garage vorbei zu einem Weg, der von Bäumen beschattet und mit einer Schicht brauner Kiefernnadeln bedeckt war. Oben schmetterte der Chor verborgener Vögel, wie um den Vorübergehenden auszulachen. An seinen Gemüsebeeten blieb Winn stehen und schaute über den Wildzaun. Dominique hatte das richtige Wort gewählt: traurig. Alle Pflanzen waren kleiner als normal und hatten kümmerliche, viel zu labile Triebe: zwergenhafte Melonen, blutleere Tomaten, Gurken, die überhaupt nicht gekommen waren. Die grünen Bohnen sahen passabel aus, aber von Kerbel und Ysop war nirgends eine Spur, obwohl er ausdrücklich darum gebeten hatte. Nur die Minze gedieh prächtig, aber die würde

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