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Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)

Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)

Titel: Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Shipstead
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auch in einem Atombombenkrater wachsen. Vielleicht sabotierte das Verwalterpaar seine kleine Nutzgartenoase, indem sie den Boden falsch düngten oder zur falschen Zeit bepflanzten. Er griff in die Minze, rieb ein paar Blätter zwischen den Fingern und lief weiter, bis er unter den Bäumen war. Er hielt sich die Finger an die Nase und saugte den intensiven, süßen Duft ein.
    Als er so weit im Wald war, dass er das Haus nicht mehr sehen konnte, kehrte er in einem Bogen zurück. Noch unterden Bäumen entdeckte er durch das dichte Gezweig, dass Agatha sich auf dem Gras vor dem Haus sonnte. Sie lag auf einem blauweißen Handtuch und trug den gepunkteten Bikini aus seinem Arbeitszimmer. Offenbar hatte sie ihn von dort geholt. Vielleicht hatte sie ihm etwas anderes dagelassen, eine Haarspange oder einen Schal. Die Nachmittagssonne stand schon recht tief, und die gewellte Front der Baumschatten näherte sich über die Wiese ihren nackten Zehen. Daphne kam mit einem Handtuch aus der Küche und trat von der Terrasse auf das Gras. Sie trug einen schwarzen Bikini, und zwischen oben und unten prangte ihr riesiger nackter Bauch. Hinter ihr kam Piper. Als sie sich umdrehte, um die Tür zu schließen, gewährte sie Winn einen Blick auf knochige Schenkel und ein Gesäß, das so ausgemergelt war, dass der blaue Stoff ihres Badeanzugs schlaffe Falten warf. Daphne schüttelte ihr Handtuch aus, und Agatha tätschelte ihr freundlich das bloße Bein. Piper setzte sich im Schneidersitz ins Gras, das Gesicht von einer übergroßen Sonnenbrille verdeckt. Als Daphne lag, mit den Füßen zu Winn, konnte er vor lauter Bauch das obere Ende von ihr nicht mehr sehen. Ihr Schatten malte einen glatten dunklen Bogen, eine Art Kamelhöcker, auf Agathas flachen Bauch und goldene Hüftknochen.
    Beim Anblick der jungen Frauen spürte er die Weite seiner Lungen, die Härte der Baumwurzeln unter seinen Füßen, die Muskeln in seinem Hals, als er schluckte. Sein Herz raste, weil er sie so unbemerkt beobachtete. Was für ein belebender Anblick. Dies war das Haus eines anderen, die Tochter eines anderen Mannes mit ihren Freundinnen. Er war ein Fremder, ein Herumlungerer, ein Anthropologe, ein Jäger, ein von ihrer Welt ausgeschlossener Waldbewohner. DieSelbstvergessenheit der Mädchen verwandelte sie irgendwie, auch wenn ihm nicht ganz klar war, wie. Es fiel ihm schwer zu entscheiden, ob sie unschuldiger wirkten, wenn sie sich selbst überlassen waren, oder ungenierter sinnlich. Oder waren sie unwirklich, wie Meerjungfrauen, die sich auf einem Felsen sonnten? Sie saßen einfach nur da – aber sie hatten so etwas ganz Eigenes. Daphne mit ihrem schwangeren Bauch schien nichts mit dem kleinen Mädchen gemein zu haben, an das er sich erinnerte. Piper saß aufrecht und reglos da wie eine Sphinx. Agatha lag mit angezogen Knien auf dem Rücken. Sie bewegte ihre Schenkel langsam und rhythmisch immerfort auseinander und wieder zusammen. Ein schmaler gepunkteter Streifen Stoff verdeckte ihren Schritt, zog sich straff und erschlaffte jedes Mal wenn sie die Beine bewegte, ihr Gesäß sich hob.
    Dicht an seinem Ohr machte eine Stimme: »Buh!«

3 · Die Tischordnung
    M it den Händen auf dem Küchentisch beugte sich Biddy über ein Sammelsurium aus Gästelisten, Platzkarten und Sitzplänen. Sie fühlte sich wie ein General bei der Planung einer Offensive. Neben ihr stand Dominique, die getreue Adjutantin, in der gleichen Haltung wie sie.
    »Wie wäre es«, sagte Dominique, indem sie zwei Karten tauschte, »wenn wir diese beiden so umsetzten? Dann wäre die Situation neutralisiert.«
    »Das geht nicht«, sagte Biddy, »weil dann zwei Ex an einem Tisch zusammensitzen. Da.« Sie berührte das Blatt.
    »Die würden nicht klarkommen?«
    »Es wäre nicht ideal.«
    Dominique tippte sich mit einem langen Finger an die Lippen und dachte nach. In einer Aufwallung von Zuneigung strich Biddy ihr über den Rücken. Sie vermisste Dominique, vor allem in den Ferien, wo sie während der ganzen Highschool- und Studienjahre zum festen Stamm des Hauses gehört hatte, weil Kairo so weit war. Dominique war eines jener aufgeschlossenen Kinder gewesen, die gern mit Erwachsenen zusammen waren, und hatte sich mit vierzehn bereits selbst zu den Großen gezählt. Bei den Van Meters hatte sie sich eher wie eine nachsichtige Tante von Daphne verhalten als ihre Freundin und häufig Winn in der Küchegeholfen oder mit Biddy Besorgungen gemacht, während Daphne faul vor dem Fernseher hing und Livia

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