Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)
schien ihr Winns Privatsphäre zu verletzen. Und Dominique konnte unmöglich verstehen, wie viel ihm seine Clubs bedeuteten und was es hieß, in ihrem speziellen sozialen Umfeld zu leben. Hatte sie nicht eben erst gesagt, sie wisse nicht, wo sie hingehöre?
Dominique stand mit einer Flasche Wein, die sie aus dem Kühlschrank geholt hatte, an der Küchenplatte, vermutlich um Livia ein Glas einzuschenken, als Balsam für ihre Nerven. Die natürliche Melancholie ihrer Züge verlieh noch ihren einfachsten Handlungen den Anschein bewusster Überlegung, und sie betrachtete die Flasche wie einen Strauß Kondolenzblumen, der noch zu arrangieren war. Bedächtig, mit ernstem Gesicht, drehte sie einen Korkenzieher hinein, und als sie aufblickte, erhaschte sie Biddys Blick und vermutlich auch eine Spur von deren Feindseligkeit.
»Ihr wisst, was ich meine«, sagte Dominique ruhig. »Wir haben alle unsere Zufluchten, auf die wir zurückfallen, wenn es uns zu viel wird.«
Biddy fiel ein, dass sie erst vor wenigen Minuten so froh über Dominique gewesen war, dass sie geweint hatte. Entschuldigend sagte sie: »Er mag gerne wissen, was auf der Insel gebaut wird.«
»Also ich finde das Haus toll«, sagte Livia. »Das Grundstück ist Wahnsinn. Das Haus ist groß, aber na und? Es ist eben ihr Fenntasieschloss.«
»Eine Fenntzugsanstalt«, sagte Dominique und reichte Livia ein Glas Wein. »Biddy, soll ich dir auch eins einschenken?«
»Nein, danke.«
»Fenn Station«, sagte Livia.
Biddy fiel kein weiteres Wortspiel ein. Hatte Dominique je die Fenns kennengelernt? Wohl kaum, auch wenn sie bestimmt jede Menge über sie gehört hatte. Daphne und Livia tauschten beide Mails mit ihr aus, und in den letzten Tagen hatte Mädchenklatsch das ganze Haus erfüllt. »Ist Teddy auf der Insel?«, fragte sie Livia.
»Ich weiß nicht. Ich habe nicht gefragt. Wahrscheinlich.«
»Na, du wirst ihm kaum über den Weg laufen.«
»Was ist, wenn er mich anruft?«
»Würde er das tun?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht. Könnte doch sein, er würde mir das mit der Army erzählen wollen.«
Biddy setzte sich wieder an den Tisch.
Livia trat näher und musterte das Durcheinander aus Karten und Listen. »Wäre das nicht Daphnes Aufgabe?«
»Sitzplätze zu verteilen ist nicht wirklich Daphnes Stärke«, sagte Biddy. »Im Zweifelsfall denkt sie von allen nur das Beste und sieht nicht, wo Konflikte drohen.«
»Ich hingegen«, sagte Dominique, »gehe vom Schlimmsten aus.«
»Du machst das sehr gut«, sagte Biddy. Sie tätschelte Dominiques Hand.
»Kennst du denn überhaupt alle?«, fragte Livia.
»Nicht alle«, sagte Dominique. »Biddy hat mir nach und nach das Gefüge erläutert.«
»Das Gefüge?«
»Die ganzen Verbindungen zwischen den Leuten. Ziemlich verzwickt, muss ich sagen.«
»Meint ihr, man dürfte Daphne damit behelligen, Mais zu schälen?«, fragte Livia.
»Ich helf dir«, sagte Dominique. »Die Leute haben ja keineAhnung, wie gut Wein und Zuckermaisschälen zusammenpassen.«
Dominique drehte sich zu Biddy um. »Mit der Tischordnung sind wir so ziemlich durch, oder?«
»Klar«, sagte Biddy, so geübt darin, ihre Enttäuschungen zu verbergen, dass sie keinen Zweifel hatte, dass ihr Ton heiter, vermutlich sogar munter war, obwohl sie verlassen wurde. »Den Rest schaffe ich gut alleine. Lauft zu. Viel Spaß.«
Durch die Terrassentür sah sie zu, wie sie sich auf den Adirondack-Gartensesseln niederließen, die Weingläser zwischen sich auf einem Tisch, und sich daranmachten, den Mais zu schälen. In eine Tüte kamen die nackten gelben Kolben, in eine zweite die grünen Blätter und blassen seidigen Fasern. Livia redete, redete, redete, und Dominique arbeitete flink und geschickt, während sie mit gerunzelter Stirn konzentriert zuhörte.
Biddy konnte es nicht länger mit ansehen, wie Livia sich mit verwundetem Stolz in den Augen über Teddy ereiferte. Sie wandte den Blick ab und versuchte ohne Begeisterung, noch die letzten Plätze so zu verteilen, dass beim Empfang alle glücklich waren, und dann starrte sie vor sich hin und fragte sich, was als nächstes zu tun war. Sie hatte keine Anrufe mehr zu erledigen, keine Geschenkbeutel mehr zu füllen, keine Blumen zu verteilen, keine Gäste zu begrüßen, bis die Duffs zum Abendessen eintrafen. Normalerweise gab es im Haus auf Waskeke keinen E-Mail-Empfang, so dass alle paar Tage ein Familienausflug in die Stadtbücherei auf dem Plan stand, aber diesmal hatte Livia darauf bestanden, dass in
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