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Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)

Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)

Titel: Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Shipstead
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bevor sie zusammenkamen. Scheinbar fühlte er sich sehr zum anderen Geschlecht hingezogen.«
    Agathas Fuß hörte auf zu wippen.
    »Ich glaube, die Gerüchte hat er selbst in die Welt gesetzt«, sagte Celeste. »Dein Vater ist absolut monogam. Zum Sterben langweilig.«
    »Mom scheint irgendwie stolz darauf zu sein«, sagte Daphne. »Sie ist komisch.«
    Agatha zog ihre Beine an und richtete sich auf. Sie war nun ganz von Schatten bedeckt, und sie rieb sich die Arme, wie um ihn fortzuwischen. Sie sagte: »Manche Leute mögen ein bisschen Konkurrenz. Das gibt ihnen das Gefühl, man hätte sich wen geangelt, der begehrt ist.«
    »Das musste ja von dir kommen«, sagte Daphne. »Na ja, wenn dir das dabei hilft, nachts besser zu schlafen.«
    Doch Piper nickte. »Nein«, sagte sie. »Ich finde wirklich, das stimmt. Man will das Gefühl haben, der Typ hätte viele haben können, aber hat dich erwählt. Als hätte man ihn ein bisschen gezähmt.«
    »Das ist so retro«, sagte Daphne.
    »Geht dir das nicht so?«, fragte Agatha. »Greyson war doch auch nicht gerade unschuldig, als ihr euch kennengelernt habt. Greyson war alles andere als unschuldig.«
    »Na ja«, sagte Daphne. »Ich weiß nicht. Ein bisschen vielleicht schon.«
    Mit Bedauern und einer gewissen Vorfreude gestand sich Celeste ein, dass sie einen Drink brauchte. Sie stand auf. »Schön«, sagte sie und schlüpfte in ihre Sandalen. »Ich werde euch jetzt verlassen. Eine von euch wird Daphne erklären müssen, was in der Hochzeitsnacht passiert, dafür bin ich zu zart besaitet.«
    »Wir kommen auch gleich«, sagte Daphne. »Die Sonne ist weg. Vergiss nicht, dich nach Zecken abzusuchen.«
    Celeste ging ums Haus und begrüßte Livia und Dominique, die mit zwei Tüten geschälter Maiskolben auf der Terrasse saßen und sich intensiv unterhielten. Drinnen waren Platzkarten und Sitzpläne über den Tisch gebreitet, aber Biddy war nirgends zu sehen. Die Ginflasche stand auf der Arbeitsfläche, und nachdem Celeste sich ein wenig in ein Glas geschenkt und mit Eis und einem gesunden Schluck Tonic verdünnt hatte, stellte sie sie in einen Schrank, wo weniger zu vermuten war, dass andere den Pegel kontrollierten. Der erste Schluck, bitter und prickelnd, war unsagbar köstlich, und sie spürte sofort, wie ihre Nerven ruhiger wurden. Im Endeffekt war das mit Winn wahrscheinlich nur Einbildung. Und wenn nicht, was konnte sie tun?
    Nachdem sie die Flasche wieder hervorgeholt und sich noch einen winzigen Schluck nachgeschenkt hatte, stieg sie durch das Haus nach oben auf den Witwensteig, wo sie allein an der frischen Luft sein und den Ausblick genießen konnte. Sie lehnte sich auf einem Liegestuhl zurück und schloss die Augen. Mit dem beschlagenen Glas kühlte sie sich die Stirn. Gern hätte sie sich eingeredet, dass sie früher so sexy gewesen war wie Agatha, doch dazu waren ihre Illusionen nicht stark genug. Aber verführerisch war sie gewesen. Sonst wäre es ihr nicht gelungen, Wyeth seiner farblosen Frau und drei Kindern auszuspannen. Das Beste, was sie jetzt von sich sagen konnte, war, dass sie sich gut gehalten hatte, wie es gemeinhin hieß. Doch all ihren restaurativen Maßnahmen zum Trotz wirkte sie müde. Und das war sie auch, im existentiellen Sinne. Für sie würde es keine Verführungen mehr geben, keine Ekstase, keine Zerstörungen. Sie und Cooper führten ein angenehmes Leben zusammen, sie hatten sich eine Zuflucht geschaffen: zwei reformierte Sünder, die auf maximale Ruhe und minimaleKommunikation bauten. Friedliche Abendessen in Restaurants, lange getrennte Wochenenden, an denen er segeln fuhr, kompatibler Fernseh- und Filmgeschmack, gegenseitige Toleranz der Freunde, Einigkeit, dass sie niemals heiraten wollten. Vielleicht hatte sie die ideale Beziehung für eine Frau ihres Alters gefunden. Vielleicht hatte sie nach all den Jahren endlich das Rätsel gelöst. Selbst wenn es eines Tages vorbei sein sollte, würde sie sich aus der Masse gestrandeter Liebhaber einen neuen Gefährten angeln, mit dem sie gemeinsam den Lebensabend verbringen konnte.

4 · Zwanzig Hummer
    I ch habe mir das letzte halbe Jahr gewünscht, ich wäre tot«, sagte Livia zu Dominique und bereute sofort die Melodramatik ihrer Wortwahl. Melodramatik zog bei Dominique nicht.
    Der letzte Mais war längst geschält, und Dominique saß zurückgelehnt in ihrem Sessel und blickte über den Rasen. Eben war Celeste über die Wiese gekommen, und sie konnten um die Hausecke das Gemurmel der Braut und ihrer

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