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Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)

Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)

Titel: Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Shipstead
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die Einzige, die spazieren gehen kann. Das hier ist schließlich mein Grundstück.«
    Seine Vehemenz machte sie neugierig. Wenn sie einmal Witterung aufgenommen hatte, konnte ihr durch lange praktische Übung geschärfter Instinkt nicht anders, sie musste männlichem Fehlverhalten nachschnüffeln, und während sie ihn musterte, wurde sie zunehmend sicher, dass sich hinter seiner Empörung etwas verbarg. Wohin hatte er denn geschaut? Er versuchte ihr den Blick zu verstellen, doch sie reckte sich und erspähte die Mädchen in ihren Bikinis, die sich in der letzten Sonne aalten wie drei grundverschiedene Eidechsen. »Hast du den Ausblick genossen, Winnifred?«, sagte sie leichthin. Es gab Schlimmeres, als ein bisschen die Mädchen zu bespitzeln.
    Er knirschte mit den Zähnen. »Ich war spazieren. Dannhabe ich ein Geräusch gehört und danach geschaut. Ich wollte eben zu den Mädchen gehen und Hallo sagen, als du beschlossen hast, mich zu Tode zu erschrecken. Ich wusste nicht, dass du deine Cocktailstunde unterbrochen hast, um hier draußen rumzuschnüffeln.«
    »Kein Grund so gereizt zu sein, 007«, entgegnete Celeste. Er würde es nie wagen, auf ihren Alkoholkonsum anzuspielen, wenn Biddy dabei war, aber hier draußen in freier Wildnis waren sie in einem primitiven Kraftfeld gefangen. Angesichts seiner verletzten Würde und dem noch andauernden Adrenalin-High konnte es sein, dass er sie schlug, aber ebenso wahrscheinlich war, dass er sie küsste. Er hatte sie schon einmal geküsst, vermutlich durch ein Versehen, und er war auf seine Art attraktiv, für sein Alter gut in Form, mit einem ebenmäßigen, ernsten Nachrichtensprechergesicht und grauen Schläfen. Aber sie besaß ja eine Schwäche für verklemmte Männer (siehe Ehemänner Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 4) und eine Schwäche für Männer, die zu ergrauen begannen (Nr. 3 und Nr. 4) und eine Schwäche für Männer, die tabu waren (Nr. 3, ach Herrgott, Nr. 3), und ehrlich gesagt flirtete sie mit Winn auch manchmal einzig und allein zu ihrer Unterhaltung. Ihren Ehemann Nr. 3 hatte sie gestohlen – er war ein charismatischer Strafverteidiger, verheiratet und der autoritäre, verhasste, Partnerschaft verweigernde Chef von Ehemann Nr. 2 gewesen –, und dann war diese kleine Schlampe mit den langen, langen Beinen und dem Pferdegesicht gekommen, die Tochter ihrer besten Freundin, und hatte ihn ihr abspenstig gemacht, und die beiden waren zusammen nach Bolivien entfleucht.
    Aber Winn war ein unglaublicher Spießer. Deswegen passten er und Biddy so gut zusammen. Durch die Pinien zuspähen war wahrscheinlich die große Sünde seines Lebens. »Ich habe nicht rumgeschnüffelt«, sagte sie. »Ich war spazieren, genau wie du.« Sie versuchte ein freches Grinsen und verspürte dabei eine eigenartige Taubheit in den Teilen ihres Gesichts, die sie durch Spritzen ihrem Willen unterworfen hatte. »Welche ist es denn?«
    »Wovon redest du?«
    »Agatha oder Piper? Ach, du brauchst gar nichts zu sagen. Ich habe es schon erraten.« Im Reden ging ihr auf, dass sie es in der Tat bereits erraten hatte, und in ihr stieg Verachtung auf.
    »Du benimmst dich abscheulich«, sagte Winn übertrieben bedächtig. »Ich hoffe, du hörst damit auf, bevor unsere Gäste kommen.«
    Sie piekste ihn in den Bauch, eben oberhalb der Messingschnalle seines bunten Stretchgürtels, und befand diesen Teil seines Körpers weicher als erwartet. »Alter Spanner.«
    »Zisch ab«, knurrte er und stapfte davon, weiter in die Bäume hinein.
    Celeste blickte ihm nach, und dann schob sie sich durch die Zweige und schlenderte auf die Wiese hinaus. »Hallo, ihr Lieben!«, rief sie. Piper winkte; Agatha stützte sich auf die Ellbogen; Daphne rollte sich auf die Seite wie ein Walross, das Kinn in die weichen Falten ihres Halses gezogen. Die Arme. Zum Glück war sie der Typ, der nach der Geburt rasch wieder die überflüssigen Pfunde verlor.
    »Was gibt’s, Celeste?«, fragte Agatha.
    Piper saß da wie ein Yogi und hob die Arme über den Kopf. Ihr Badeanzug dehnte sich über der Höhle zwischen ihren Rippen und Hüften. »Ist es nicht wundervoll hier draußen?«, zirpte sie.
    Celeste ließ sich aufs Gras falls. »Es ist traumhaft.«
    »Denk dran, dich hinterher nach Zecken abzusuchen, Celeste«, sagte Daphne. »Wegen Borreliose.«
    »Was ist das denn?«, fragte Piper.
    »Eine eklige Infektion«, sagte Agatha. »Wirklich böse.«
    Celeste legte sich die Arme aufs Gesicht und wünschte sich, dass eine Hand vom Himmel kommen und ihr

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