Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)
war, und Daphne schien sie jetzt, nach fast einem Jahrzehnt, gerade deswegen zu schätzen, weil sie weniger amüsant war als Piper oder Agatha, weil sie nicht blond und zierlich war, weil sie lieber in stille Lokale ging als in Bars voller Banker, weil sie sich um Ehrlichkeit bemühte. Und Dominique mochte Greyson – sie hatte ihn wirklich gern. Sie liebte ihn nicht, aber das war in Ordnung. Sie würde ihn nur selten sehen. Von ihren Freundinnen, die geheiratet hatten, hatte keine einen Mann gewählt, der ihre Hoffnungen für sie erfüllte. Meistens waren die Auserwählten beständige, nette Menschen, die sich eine Ehe wünschten, und nicht die aufregenden, geistreichen, inspirierenden Partner, die Dominique sich erträumt hatte. Auch ihre eigene Mutter, die ständig versuchte, sie mit geeigneten koptischen Exilärzten zu verkuppeln, hatte sie schon beschuldigt zu anspruchsvoll zu sein, sowohl im Hinblick auf sich selbst als auch auf andere, doch Dominiques Ansicht nach bestand das Missverhältnis nicht zwischen ihr und der Realität, sondern zwischen ihren Wünschen für das eigene Leben und den Wünschen ihrer Freundinnen für das ihre.
Und trotzdem hatte Daphne ihr vorgeworfen, sie würde ihre Ziele zu niedrig stecken. Dominiques Freund Sebastiaan war Belgier und ein Koch, der keine Verkürzung seines Namens duldete. Er verlangte, dass stets alle vier Silben ausgesprochen wurden, was Gespräche unangenehm verlangsamte und gefährlich hemmte. Sein Name beschwerte ihre Zunge und vermittelte ihr immer das Gefühl, zu viel über ihn zu reden, obwohl sie ihn eigentlich kaum je erwähnte. Er war ein Anhänger der traditionellen französischen Küche auf Basis der Grundsaucen und wurde regelrecht wütend, wenn ihre nordafrikanischen Gewürze oder thailändischenKräuter sein Boeuf Bourgignon oder Homard à la Normande verfälschten. »Was ist das, verflucht noch mal?«, rief er aus und wedelte ihr mit einem Entenschenkel vor der Nase herum, auf dem sich Spuren von Baharat befanden. »Wenn du experimentieren willst, dann nimm gefälligst die Ente von wem anders!«
»Er leidet an einer Art kulinarischem Fremdenhass«, hatte sie Daphne an ihrem ersten Abend auf der Insel berichtet, als sie oben auf dem Witwensteig allein zusammensaßen. »Aber gleichzeitig fühlt er sich auch zu allem Exotischen hingezogen. Einmal kam er nach Hause und roch nach äthiopischen Speisen, und als ich ihn fragte, wo er gewesen war, sagte er: ›Ach, bloß ein Bier trinken.‹«
»Es ist besser, er betrügt dich mit Essen als mit anderen Frauen«, sagte Daphne.
»Ich bin nicht sicher, ob das so ein Unterschied ist. Ich glaube, er mag mich, weil ich dunkel und würzig und verboten bin. Ich bin das Fremde. Es gibt ihm das Gefühl, er würde ein Tabu brechen. Das merke ich daran, wie er im Bett ist.«
»Wie kann es dir mit so jemandem ernst sein?«
Dominique zuckte die Achseln. »Mir ist es nicht ernst. Nicht wirklich.«
»Und warum bist du dann mit ihm zusammen?«
»Ich mag ihn. Er passt mir für den Augenblick gut.«
»Greyson und ich haben uns gerade darüber unterhalten, dass du dir deine Ziele zu niedrig steckst.«
»Echt?« Dominique war zugleich entsetzt und neugierig. »Ich weiß nicht, ob das stimmt. Ich bilde mir gern ein, dass ich mich mit dem zufriedengebe, was verfügbar ist und mir entgegenkommt.«
»Nein«, Daphne schüttelte den Kopf und spitzte die Lippenauf eine Art, die Dominique an Sebastiaan erinnerte, wenn er eine ihrer Suppen kostete: voll Abscheu und Urteilsfreude. »Du bist nicht wählerisch genug.«
Wieso, fragte sich Dominique, hatte sie sich wieder so ins Leben der Van Meters hineinziehen lassen? Legte sie Wert auf deren Ansichten? Bevor sie zu ihrem ersten Jahr nach Deerfield gekommen war, hatte sie ihre Koffer mit europäischen Szeneklamotten und Schals und Schmuck aus den Souks gefüllt, damit sie allen zeigen konnte, dass sie aus Ägypten war, exotisch und anders. Doch als sie im Internat die Koffer aufmachte, waren sie voller Sachen gewesen, die sie noch nie gesehen hatte. Vom Jetlag noch völlig durcheinander war ihr vor Angst übel geworden. Statt ihrer Sachen sah sie nur Kordhosen, Schottenröcke, Hemdblusen und dicke Daunenwesten, so als wäre ihr Leben von einem anderen geschluckt worden. Die alte Dominique hatte sich aufgelöst wie ein Kondensstreifen über dem Atlantik.
Dann war sie allmählich dahintergekommen, dass ihre Mutter monatelang neue Sachen aus Katalogen geordert und für sie gehortet
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