Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)
und drehte die knochigen Finger umeinander.
»Suchst du was?«
»Daphne braucht eine Gurke.«
»Eine Gurke?«
»Wir legen uns Gurkenscheiben auf die Augen.«
»Ist das gut?«
»Das wissen wir nicht.« Sie stieß das hohe, kitzelige Hihihi einer Maus im Zeichentrickfilm aus. Der alte rosa Frotteebademantel von Daphne machte sie klein, und ihr dünner Hals und das magere Gesicht ließen sie merkwürdig alt erscheinen, ein wenig wie ein alter Mönch, der vom Leben in seiner Höhle ganz bleich geworden ist. »Deswegen wollen wir es gerade mal versuchen. Daphne sagt, es ist ein altes Hausmittel, und Agatha schwört darauf. Wir knipsen uns vorher und nachher.« Wieder das piepsige Kichern.
»Im Gemüsefach liegt eine, aber die wollte ich für den Salat haben.«
»Oh. Ach so.« Sie zog die feuchten Haare nach vorn und zuppelte mit den Fingernägeln an den Knoten. Er wandte sich wieder dem Mais zu, und als er das nächste Mal über die Schulter guckte, war sie weg. Da fing er wieder an zu summen, neigte das Schneidebrett über die rote Schüssel und ließ weitere Körner auf den hohen Haufen regnen, der so perfekt geformt war wie der Sandkegel in einem Stundenglas.
Agatha sagte: »Ich höre, du willst uns keine Gurke gönnen.«
Winn wirbelte herum. Sie stand dort, wo Piper gestanden hatte, das Haar ebenfalls nass, aber glatt nach hinten gekämmt, und trug wieder das durchsichtige weiße Kleid von vorhin. »Wie bitte?«, fragte er.
»Wir brauchen doch bloß ein kleines Stück.«
Sie wühlte im Kühlschrank und fand einen grünen, warzigen Phallus, schob Winn behutsam beiseite, um ihm das Schneidebrett und das Messer zu entwenden und das unselige Ding um eine Daumenlänge kürzer zu machen. Dann schältesie das abgeschnittene Ende und schnitt es in acht dünne Scheiben. »Voilà! Schönheit aus der Natur.« Sie wedelte mit der abgehackten Gurke. »Soll ich sie gleich draußen lassen?«
»Gib her.« Als er sie ihr aus der Hand nehmen wollte, hielt sie sie fest, so dass er ziehen musste. Er schnaufte belustigt und verlegen.
»Dir muss es vorhin in den Ohren geklungen haben«, sagte sie.
Er legte die Gurke beiseite und ließ das Messer den letzen Maiskolben hinuntergleiten. »Warum?«
»Ich weiß nicht mehr, wie wir darauf gekommen sind. Wir waren mit Celeste draußen auf dem Rasen, und irgendwie haben wir Vermutungen darüber angestellt, wie du als Student warst. Celeste hat gemeint, du wärst damals genauso gewesen wie jetzt.«
»Hmm«, machte er unsicher.
»Und, stimmt das?«
»Das weiß Celeste bestimmt besser als ich.«
»Willst du wissen, was Daphne gesagt hat?«
»Ich weiß nicht. Will ich es wissen?«
»Sie meinte, Biddy hätte ihr erzählt, du hattest einen schlechten Ruf.« Sie wartete. Da er schwieg, redete sie weiter: »Du musst wohl ein ziemlicher Playboy gewesen sein.«
Winn nahm die Schüssel und schüttete den Mais in das kochende Wasser. Er stellte ein großes Sieb ins Spülbecken, wischte sich die Hände an der Schürze ab und wandte sich ihr zu, die Arme über der Brust verschränkt. »Ein Playboy?«
Sie richtete die Gurkenscheiben zu einem ordentlichen Stapel aus, den sie wie Pokerchips lose zwischen den Fingern hielt. »Wir waren einfach neugierig, weil du einer von den Menschen bist, der so wirkt, als wäre er als Erwachsener aufdie Welt gekommen, schon gleich mit Haus, Ehe und allem. Ich kann mir Biddy vorstellen, wie sie jung war, aber dich nicht.«
»Hmm«, machte er wieder.
»Na?«
»Ich kann mich nicht erinnern. Ich glaube nicht, dass ich sehr anders war. Ich hatte Freundinnen, aber nicht ungewöhnlich viele. Ich war kein Casanova.« Er drehte sich um, nahm den Topf vom Herd und goss den Inhalt ins Sieb. Seine Brille beschlug.
»Das hat Celeste auch gesagt. Sie hat gesagt, du wärst monogam geboren.«
Er schob seine Brille auf die Nasenspitze hinunter und sah sie an. »Schade, dass ihr Mädchen nichts Interessanteres habt, worüber ihr euch unterhalten könnt.«
Sie fasste nach seinen Brillenbügeln und nahm ihm die Brille ab. Er schloss die Augen, und als er sie wieder öffnete, wischte sie an ihrem Kleidersaum den Dampf von den Gläsern.
An dem Tag des Jahres 1966, als Winn sein Studium in Harvard antrat, schenkte ihm sein Vater eine goldene Armbanduhr und sprach ihn von Sünden frei. »Jugend ist die beste Entschuldigung, die du je haben wirst«, sagte Tipton Van Meter und schüttelte seinem Sohn zum Abschied die Hand. Sie standen auf dem Bürgersteig einer
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