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Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)

Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)

Titel: Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Shipstead
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einen eher gesetzten Eindruck. »Sie machen mir Kopfschmerzen. Ich glaube, es ist der Wind.«
    Greyson lächelte gnädig, wie um zu zeigen, dass er sich der Merkwürdigkeit dieser Äußerung von seinem Bruder bewusst war und sie ihm gleichzeitig nachsah.
    »Na ja«, sagte Dominique. »Jedem das Seine.«
    »Wir wollen noch ein paar Sets spielen, bevor wir uns zum Essen umziehen müssen«, sagte Greyson. »Willst du das Rad hinten reinwerfen und mitkommen?«
    Sie waren beide ganz in Weiß. Sie selbst trug orangefarbene Fußballshorts und ein graues T-Shirt, das sie bei einem Quiche-Wettbewerb gewonnen hatte. »Nein danke«, sagte sie, obwohl sie sicher war, dass Greyson ihr weiße Sachen besorgen könnte. Wahrscheinlich hatte er immer welche dabei, so ähnlich wie Sebastiaan, der als Bergsteiger auch im Tiefland immer eine silberne Rettungsdecke im Kofferraum hatte. »Ihr müsstet das Verdeck aufmachen, um für das Rad Platz zu machen, und ich fürchte, ich kenne Francis noch nicht gut genug, um ihm Kopfschmerzen zuzumuten.«
    Francis starrte sie treuherzig und unbewegt an. »Mir macht’s nichts aus, ehrlich.«
    »Nein, lasst mal. Ich will zum Leuchtturm rausradeln.«
    Sie fuhren davon. Greyson drückte zum Gruß zweimal leicht auf die Hupe. Dominique radelte weiter und überholteerneut den Radfahrer mit dem gelben Trikot, der vorbeigefahren war, während sie sich unterhielt. Schweiß rann ihr über den Rücken, als sie den letzten Hang zum Leuchtturm hinaufkeuchte. Herrlich. Sie warf ihr Rad ins Gras und spazierte langsam im Kreis herum, schwang die Beine und streckte sich dem Licht entgegen. Aus der Nähe wirkte der Turm nicht mehr so perfekt. Der breite rote Streifen um die Mitte war zu einem matten Rosarot verblichen. Die schwarze Farbe auf der Kuppel und dem Balkon war in der Sonne stumpf geworden, und die Scheiben des Laternenraums waren von Salz verkrustet und mit Vogelkot verschmiert. Abgeblätterte Farbe lag verstreut im Gras wie rotes und weißes Konfetti. Hinter einem grauen Kettenzaun, gefährlich dicht an dem bröckelnden Steilufer, stand das rostige Skelett einer uralten Schaukel auf einer verwilderten Wiese – ein Überbleibsel aus der Zeit, als es einen Leuchtturmwärter gegeben hatte und ein Haus für ihn und Spielgeräte für seine Kinder. Bis zum Parkplatz verlief ein Koppelzaun, der dazu dienen sollte, die Leute vom Rand des Steilufers fernzuhalten. Auf einem der Warnschilder stand »Spanien 3048 Meilen«. Sie blickte auf das Meer hinaus und fragte sich, wie weit es wohl bis nach Ägypten war. Oder bis zu ihren Eltern in Lyon. Oder nach Belgien. Was machte Sebastiaan wohl gerade? Suhlte er sich in Garam Masala und Ras el Hanout? Alles, was ihr wichtig war, ihre ganze Realität, lag irgendwo jenseits des Ozeans, nicht hier auf dieser halb imaginierten Insel, diesem Nistplatz umtriebiger, aufgeblasener Amerikaner, unter denen sie, der dunkle Wasservogel, auf einer langen ungewissen Reise Rast machte.
    Der Radfahrer im gelben Trikot erreichte das Ende der Straße, stoppte, kehrte um und fuhr den gleichen Weg zurück.Am Himmel brummte ein Propellerflugzeug, Dominique legte eine Hand über die Augen und rechnete sich, während sie den Flug über die Insel zum kleinen Flughafen verfolgte, aus, wie viel Vorsprung sie dem Gelben geben musste, bis es zur Herausforderung wurde, ihn einzuholen.
    Winn schnitt die Körner von einem Maiskolben. Er wollte sie kurz überbrühen und dann mit den Tomaten und einer schlichten Vinaigrette zusammen als Salat servieren. Zwei Schüsseln voll. Dies war die erste. Zehn Kolben pro Schüssel. Seine gestreifte Lieblingsschürze fest um die Taille gebunden, summte er vor sich hin. Er stellte einen Maiskolben auf, führte sein äußerst scharfes deutsches Messer von der Spitze nach unten und freute sich an dem hübschen Geriesel gelber Körner hinter der Klinge. Dann drehte er den Kolben und wiederholte den Vorgang, bis nur noch ein eckiger Pflock übrig war. Die automatische Wiederholung hatte etwas Tröstliches, geradezu Genießerisches. Er gab sich dem Rhythmus des fallenden Messers und der Handbewegung hin und schob die süß duftenden Körner in eine rote Metallschüssel. Auf dem Herd dampfte ein Topf mit Wasser.
    Piper erschien im Bademantel. »Oh«, sagte sie. »Hallo.« Ihre nassen Haare hingen ihr in verknoteten Strähnen über den Rücken, und ihr Gesicht wirkte ohne die üppige Mähne und ohne Make-up spitz und verhärmt. Sie zögerte, nahm die Hände vor die Brust

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