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Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)

Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)

Titel: Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Shipstead
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unterdrückte Leidenschaften verbargen, ganz so wie ihre Häuser Hintertreppen hatten und kleine Kammern hinter der Küche für die Geister der Dienstboten aus der Zeit der Vorfahren. Es überraschte sie, dass Winn nicht von einer Brücke gesprungen oder sich in ein Samuraischwert gestürzt hatte, nachdem seine beiden Töchter sich hatten außerehelich schwängern lassen. Daphnes Umstände – Dominique stellte sich vor, dass Winn als der alte Viktorianer, der er war, dieses Wort benutzte – wurden durch die Hochzeit in die Bahnen großväterlichen Anstands gelenkt, doch Livias Phantomschwangerschaft, die fehlende Wölbung unter ihrem grünen Kleid vorne in der Kirche, war eine Leere für die es keine befriedigende Abhilfe gab. Gut, dass der Pequod ihn von diesen Dingen ablenkte und er um die Mitgliedschaft kämpfte wie ein Don Quixote ohne seinen Sancho.
    Kräftig in die Pedale tretend, schüttelte sie den Kopf. Diese Leute, diese alles bestimmende Clique reicher Spießer, inder Winn für sich und seine Familie das Heil suchte, schien darauf aus zu sein, ihre Gemeinschaft in immer kleinere und kleinere Fraktionen zu teilen, Hälften von Hälften, um sich, ohne ihr Ziel je zu erreichen, einem Gipfel, einem Nirwana der Exklusivität zu nähern. So lange Dominique sie kannte, hatte Daphne angesichts der Ticks und Täuschungen ihres Vaters die Augen verdreht, doch bis zu ihrer Schwangerschaft hatte sie nichts getan, um ihr Leben von seiner Vision für ihre Zukunft zu scheiden. In Deerfield hatte Dominique angenommen, Daphne würde ihre Studienzeit nutzen, um eigene Wege zu suchen, aber dann war sie an die Uni nach Michigan gegangen, während Daphne an der Ostküste blieb, und hatte sich in ihrem Zimmer im Studentenheim, in den nach Bleiche miefenden Sportsachen auf dem Bett liegend und die Schneeflocken zählend, die vor dem Fenster zu Boden rieselten, am Telefon stundenlang anhören müssen, wie Daphne von Eating Clubs und überdrehten Abenteuern mit ihrer neuen, ach so lustigen Freundin Piper schwärmte, auf die Dominique total abfahren würde, und von schicken Benefizbällen in New York und von Greyson, ständig und immerzu von Greyson. Immer gern bereit, mit anderen in Konkurrenz zu treten, hatte Dominique zunächst versucht, Daphne gegen diese neuen Leute aufzuwiegeln und sie zurückzugewinnen.
    »Sie klingen wie Zombies«, hatte sie gesagt und sich vom Bett auf den Fußboden gelegt, um Streckübungen zu machen. Sie war immer entweder beim Sport oder lernte, oder sie schlief. Und fand es verblüffend, wie viel Zeit Daphne zu haben schien, um sich schön zu machen und auszugehen. »Die klingen alle genau wie die Freunde, die dein Vater dir aussuchen würde. Willst du da nicht ein bisschen frischenWind hineinbringen? Was Neues probieren? Die ausgetretenen Pfade verlassen?«
    »Welche ausgetretenen Pfade?«, wiederholte Daphne. »Die sind für mich nicht ausgetreten. Ich bin so. Ob es dir passt oder nicht, ich gehöre gern dazu. Ich mag Leute, die so ähnlich sind wie ich.« Ja, gerade deswegen hatte sich Dominique ursprünglich zu ihr hingezogen gefühlt, damals als sie in Deerfield neu und noch ganz verloren gewesen war. Daphnes Sicherheit für ihren Platz in der Welt war das perfekte Rezept gegen Heimweh gewesen. Sie war eine Art Generalschlüssel zum Internatsleben gewesen, und Dominique hatte sie freudig in Besitz genommen.
    »Ich mache mir nur Sorgen«, sagte Dominique, »dass du dich zu billig verkaufst.«
    Nach diesem Gespräch folgten ein paar Wochen Tieffrost und dann eine Versöhnung, und bald darauf besuchte Dominique sie in Princeton und konnte sich nicht für alle Aktivitäten und Leute begeistern, für die sich Daphne begeisterte, und sie stritten sich, weil Dominique sich laut gefragt hatte, wie Piper es bloß geschafft hatte, einen Studienplatz an einer sogenannten Eliteuniversität zu ergattern, und in dem Streit fiel wieder mehrmals das Wort Zombie (»privilegierte Zombiezicken«), und Daphne regte sich darüber auf, dass Dominique sich ständig zu allem ein Urteil anmaßte, sich immer für besser hielt, sich immer für so besonders hielt, als wäre sie ein irgendein blöder Pharao oder so was, auch wenn das überhaupt nicht zutraf, und beendete ihre Rede damit, dass manchmal Leute auch einfach gerne ausgingen und sich mit Leuten amüsierten, die nett waren und cool.
    Distanz und Zeit hatten ihrer Freundschaft gutgetan. Dominique hatte eingesehen, dass sie nicht für Daphnes Lebenverantwortlich

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