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Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)

Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)

Titel: Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Shipstead
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baumgesäumten Avenue in Boston, unweit des Public Garden, im Schatten ihres weißen Natursteinhauses. Er sprach langsam, mit wohlüberlegtem Nachdruck. Dass er den Augenblick von langer Hand geplant hatte, war deutlich. Winn entschied sich für mannhaftes Schweigen. Keine Antwort konnte mit dem Satz mithalten, den sein Vater sich bereits für ihn ausgedacht hatte,und deswegen beschränkte er sich darauf, den Händedruck mit einer Inbrunst zu erwidern, die hoffentlich von Kraft, Elan und Dankbarkeit zeugte. Tony, ihr Chauffeur, wartete hinter dem Lenkrad darauf, ihn die knapp vier Meilen zu den Toren des Yard zu befördern.
    »Auf Wiedersehen, Vater. Wir sehen uns Sonntag zum Essen.«
    Tipton nickte bloß.
    Bis Tony um die Ecke bog, blickte Winn durch die Rückscheibe zu seinem Vater zurück, der im grauen Anzug an der Straße stand, die Hände hinter dem Rücken verschränkt.
    Winn hatte den Charles River schon unzählige Male überquert, aber er hatte dennoch das Gefühl, die Herrlichkeit dieses Septembernachmittages sei eine Segnung speziell für ihn, und das wohlbekannte grüne Wasser, von derselben Sonne vergoldet, die auf seiner neuen Armbanduhr blitzte, sei eine wichtige Schwelle. Er stand vor dem Beginn einer neuen Epoche, und die Abschiedsworte seines Vaters waren in den Torbogen geschnitzt. Tipton Van Meter besaß einen starken Glauben an die Jugend, und Winn glaubte an Tipton. Die meisten Väter hätten ihre Söhne gemahnt, der Familie Ehre zu machen, sich anständig zu benehmen oder ihren Platz in der Welt zu erobern. Dass sein Vater ihm gestattet hatte, nichts davon zu tun, war für Winn eine ungemeine Erleichterung. Er fasste den Vorsatz, sich jede Menge Freiheiten zu gestatten – verbunden mit der Bedingung, eines Tages zur richtigen Form des Erwachsenendaseins überzugehen. Fürs Erste würde er unbekümmert, sorglos, voll Übermut und Leichtsinn dahinleben, um dann später zu einem ehrenwerten Mann, einem guten Staatsbürger, einem Mann zu werden, dessen Porträt an der Wand hängen könnte:einem Mann wie sein Großvater Frederick, dessen Antlitz über das Billardzimmer im Vespasian Club wachte, oder wie sein Vater, dessen Bildnis in Öl im Esszimmer des weißen Natursteinhauses auf seinen noch lebenden Zwilling hinabschaute.
    Als Kind war Winns Lieblingsplatz der Teppich neben Tiptons Sessel gewesen. Dort hatte er gesessen, während sein Vater Gin aus einem Kristallglas trank und dazu Radio hörte. Nun da er in die Zeit aufbrach, die nach Tiptons Ansicht die schönste seines Lebens sein würde, hatte er das Gefühl, vor der perfekten Symbiose der beiderseitigen Wertschätzung von Vater und Sohn zu stehen. Tipton hatte ebenfalls in Harvard studiert, und in den Jahren seit seinem Examen hatte er im eigenen Kopf und dem Kopf seines Sohnes eine sonnengebräunte verwuschelte Idealgestalt eines Studenten geschaffen. Dieser junge Mann war ein aktiver Sportler, ein unauffälliger Student, ein Meister witziger Trinksprüche, ein leichtfüßiger Wanderer durch das Schlaraffenland weiblicher Gesellschaft. Während manche Jungen davon träumten, Präsident oder Astronaut zu werden, besaß Winn in seiner Jugend den einzigen Ehrgeiz, eines Tages den breiten Schultern und Messingknöpfen des idealen Harvard-Studenten gerecht zu werden, den sein Vater ihm halb aus der Erinnerung, halb aus der Fantasie heraufbeschwor. In den Geschichten, die Tipton für die Stunde nach dem Abendessen auswählte, verkörperte er selbst diesen Mann: den strahlenden Anführer einer Bande draufgängerischer Lümmel. Auf dem fleckigen Tischtuch unter dem eigenen Porträt im verschnörkelten Goldrahmen hoch an der Wand malte er für seine Zuhörer die Vergangenheit in leuchtenden Farben. Wenige Wochen bevor Winn nach Harvard ging, waren sein Englischlehrerund dessen Frau zum Essen da gewesen, und Tipton hatte einen Klassiker hervorgekramt:
    »Wir ließen uns vom Koch im Club ein Lunchpaket geben«, sagte Tipton, »und kletterten im Sever aus dem Fenster, um auf dem Dach zu picknicken. Cort Wilder, Moody, Kreegs, Tom Patten und ich – das waren damals meine besten Freunde unter den Kommilitonen. Cort Wilder kennen Sie, oder?« – Die Frage war an den Englischlehrer gerichtet – »Ach. Ich dachte, Ihre Wege hätten sich vielleicht gekreuzt. Er war auch Altphilologe. Also gut. Es war der erste warme Frühlingstag, der ist ja immer herrlich, nicht? Alles erwacht aus dem Winterschlaf. Wir wollten das aus der Vogelperspektive beobachten,

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