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Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)

Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)

Titel: Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Shipstead
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und so hatten wir einen Picknickkorb von Kreegs’ Freundin und die Sandwiches aus dem Club, und wir tranken Champagner direkt aus der Flasche, das ist ja immer ein besonderes Vergnügen, nicht? Uns hätte bestimmt niemand bemerkt, wenn nicht der Wind Kreegs’ Brotpapier erfasst und eine Weile umhergewirbelt hätte, um es dann ausgerechnet Professor Fieldston an den Kopf zu wehen, der auf dem Weg zu seiner Vorlesung war. Fieldston kennen Sie doch, nicht wahr?«
    »Der Name kommt mir bekannt vor«, sagte der Englischlehrer, der gerade mit der silbernen Zuckerzange einen Zuckerwürfel in seinen Kaffee gab.
    »Also gut. Es stellte sich heraus, dass Kreegs, dieser Dämlack, mit dem Brotpapier die Mayonnaise von seinem Sandwich gekratzt hatte. Deshalb blieb es nass und klebrig an Fieldstons Wange hängen. Als er hochguckt, sitzen wir alle in einer Reihe auf dem Dach wie die Tauben. Natürlich rast er sofort ins Sever, und ich sage Ihnen, wir bekamen es mit der Angst. Wir dachten, jetzt ist es aus. Kreegs jammerte, weiler schon mehrere Verwarnungen hatte und fürchtete, dass man ihn exmatrikulieren werde, und Moody meinte, sein Vater habe bereits gedroht, ihm das Taschengeld zu streichen, und dies bringe jetzt das Fass zum Überlaufen, und so weiter und so fort. Doch zum Glück kannte ich das Sever in- und auswendig, und ich führte die ganze Bande zur anderen Seite des Dachs, wo ich ein bisschen herumturnte, bis ich ein offenes Fenster fand. Ich kann Ihnen sagen, so erstaunt war ein Französischseminar noch nie. Sie glauben nicht, wie die geglotzt haben, als wir alle fünf hintereinander eingestiegen sind. Cort, der Witzbold, hat sich sogar noch umgedreht und etwas über la fenêtre gemurmelt, und dann sind wir zur Tür hinaus, und ich habe die Jungs über eine Hintertreppe nach unten geführt. Fieldston stand vermutlich noch am Fenster und wunderte sich, wohin wir bloß verschwunden waren, als wir längst wieder im Club waren. Den Picknickkorb mussten wir zurücklassen, und irgendwer hat mir erzählt, dass Fieldston ihn ein ganzes Jahr lang in seinem Büro auf einem Regal stehen hatte. Wenn jemand zufällig mit dem Blick daran hängenblieb, trat ein argwöhnischer Ausdruck in sein Gesicht, und er fragte: ›Kommt er Ihnen bekannt vor?‹ Er hatte immer noch Hoffnung, der alte Trottel. Kreegs ist dann doch noch geflogen, ein paar Wochen später. Weshalb weiß ich nicht mehr. Irgendwas Dummes. Er ist nach Baltimore zurückgegangen.«
    Damit nahm er die Gabel und wandte sich seiner Tarte Tatin zu, während die anderen stumm vor sich hin stierten und nur das Klappern von Silber auf Porzellan zu hören war. Es war typisch für Winns Vater, seine Geschichten mit einem traurigen, vagen Fortsatz zu versehen und zu vergessen, dass seine Zuhörer noch immer auf eine Pointe warteten. DerEnglischlehrer zog eine Augenbraue hoch und sah Winn über den Tisch hinweg an. »Kaffeelöffelweis«, sagte er, mit einem solchen durch die Luft fahrend. »Van Meter, ich vertat mein Leben, wie?«
    »Wie bitte, Sir?«
    »Vollende die Zeile, Van Meter. ›Ich vertat mein Leben ...‹ wie?«
    »Kaffeelöffelweis?«
    »Ja. Von wem ist das?«
    »Sir?«
    »Wie heißt das Gedicht, und wer hat es geschrieben?«
    Je länger das Schweigen dauerte, umso mehr erstarrten Schüler und Lehrer, der Schüler, weil sein Vater meinen würde, er hätte nichts gelernt, und der Lehrer, weil der Vater meinen würde, er hätte dem Schüler nichts beigebracht. Zwischen ihnen schwebte der Kaffeelöffel. Kurz bevor Winn einfach raten und sagen wollte, das Gedicht sei von Eliot, sprang die Frau des Lehrers ein und sagte: »James, du bist einfach gnadenlos. Den Jungen beim Essen zu triezen. Er fängt in einer Woche in Harvard an; er ist viel zu aufgeregt, um den ganzen Kleinkram im Kopf zu haben, den du ihm beigebracht hast.«
    Der Lehrer klemmte sich die Pfeife zwischen die Zähne und klopfte seine Taschen ab. »Dein Glück, Van Meter, dass ich seit langem gelernt habe, auf meine Frau zu hören.« Tipton warf dem Lehrer vom Kopf des Tisches ein Streichholzheftchen zu, das der zu fangen versuchte, aber knapp verfehlte, so dass es auf den Fußboden fiel. »Sieht aus, als wärst du gerettet«, sagte er zu Winn und bückte sich unter den Tisch.
    »Danke, Sir.«
    »Ich habe mir auch nie viel aus Gedichten gemacht«, sagte Tipton.
    Immer wenn dann der Tisch abgeräumt war und die Gäste nach Hause gegangen waren, erzählte Tipton die Geschichten, die er, wäre es nach Winn

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