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Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)

Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)

Titel: Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Shipstead
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zu sehen waren, meinte Winn durch die offenen Türen auf zwei junge Frauen mit den Gesichtern seiner Töchter zu schauen und mit Körpern, die irgendwie an sie erinnerten, aber die, wie sie sich so durch die satten Schatten der späten Sonne bewegten, zugleich auch Fremde waren.
    Livia wusste, sobald die Duffs den Schauplatz betraten, dass ihnen am Abend eine jener kleinen gelungenen Geselligkeiten bevorstand, die sofort zu schäumen beginnen und von einer Flut von Alkohol getragen dahinwogen, bis unbemerkt der Gipfel der Hochstimmung überschritten ist und die Nacht langsam ins Ungute kippt, Richtung Rührseligkeit, Schläfrigkeit und Selbstverdammung. Seit dem Vorfall im Ophidian hatte sie sich von Partys ferngehalten. Sie hatte sich willentlich vor der künftigen Elite gedemütigt, deren Urteil ihr nun höchstwahrscheinlich für den Rest des Lebens nachhängen würde, und hatte sich seitdem nicht mehr unter die Menschen getraut. Aber diese Party jetzt, dieses kleine Familienfest, erschien ihr als sichere Möglichkeit, wieder in den Sattel zu steigen.
    Der Abend war mild. Im Westen erstrahlte der Himmel in allen Farben der Fruchteisskala, während er über ihnen nochblau war, ein von Kondensstreifen durchzogenes Firmament mit Spuren wie von dahinflitzenden Fischlein. Alle außer ihrem Vater waren im Garten. Nachdem er ihr aufgetragen hatte, Käseplatten, Räucherlachs und Krabbencocktails nach draußen zu stellen, hatte er rasch ein halbes Glas Wein hinuntergekippt und war in die Küche zurückgekehrt, um mit dem Elan eines Mannes, der ein ganzes Philharmonie-Orchester dirigiert, zu hacken, mischen, rühren und zu mahlen. Selbst Mopsy war von Dicky junior aus dem Haus bugsiert worden und saß auf einem Gartenstuhl, rieb sich die Arme und klagte über die Kälte. Livia stand mit einem Bloody Mary daneben und lauschte Dicky senior, der vom letzten Wurf der Duff’schen Labradorhündin schwärmte.
    »Es sind wunderbare, wunderbare Welpen«, sagte er gerade. »Sie sind einfach wunderbar.«
    Soweit sie es mitbekommen hatte, war Dicky senior aus seiner Karriere mit irgendwelchen lukrativen Geldgeschäften ausgestiegen, als er gerade ganz oben war, und schrieb seither dicke historische Wälzer, die er im Selbstverlag veröffentlichte, Bücher mit kurzen markigen Titeln wie Napoleon , Berlin oder Verdun . Sein Lächeln erinnerte an den alten Roosevelt, und zwischen seinen Zähnen klemmte ständig ein imaginärer Zigarettenhalter. Ob es eines Tages auch ein Buch mit dem Titel Duff geben würde? Oder Dicky ? Der Name Dicky war nicht einmal eine Abkürzung – das wusste sie von Daphne. Er stand so in seiner Geburtsurkunde. Sein verstorbener Vater, Richard Duff IV, hatte ihm keine V aufbürden wollen, und trotzdem hatte Dicky mit Dicky junior gleich wieder dafür gesorgt, dass die Abfolge für alle Welt sichtbar war.
    »Schreibst du an einem neuen Buch?«, fragte sie ihn.
    »Ja, natürlich«, sagte er. »Ich habe meine Assistentin gerade beauftragt, mit der Recherche für eine Biografie von Oliver Wendell Holmes anzufangen.«
    »Weißt du schon den Titel?«
    »Das ist eine ulkige Geschichte. Ich wollte das Buch eigentlich Holmes nennen, aber dann hat mich jemand darauf hingewiesen, das Publikum könnte meinen, es würde um Sherlock Holmes gehen, deswegen lautet der Arbeitstitel jetzt Gerechtigkeit .«
    In seiner detaillierten Schilderung der Lebensgeschichte von Holmes war er gerade bei dessen Studienjahren angelangt, als Oatsie, die in seiner Nähe saß, ihn unterbrach und sagte: »Dicky, du hast jetzt genug über Bücher geredet.«
    »Na schön, Mummer, wovon soll ich denn reden?«
    »Wie wäre es, wenn du die junge Dame mal fragst, was sie so macht.«
    »Na schön. Livia, du studierst in Harvard, ja? Bald im dritten Jahr, oder?
    »Im vierten.«
    »Stimmt, ja. Und hast du schon Pläne dafür, wie es dann weitergeht?«
    »Ich werde meinen Doktor machen, in Meeresbiologie.«
    »Oh.« Er schlug ihr mit breitem Lächeln auf die Schulter und schwenkte seinen Wein.
    »Ich dachte, dein Vater hätte gesagt, du wolltest Jura studieren«, sagte Oatsie.
    »Das behauptet er manchmal«, sagte Livia. »Nur weil Daphne Jura studieren wollte, und das hat ihm gefallen.«
    »Willst du so eine Art Cousteau werden?«, fragte Dicky. »Unten bei den Fischen.«
    »Du solltest lieber Jura studieren«, sagte Oatsie entschieden.»Du wärst eine wunderbare Anwältin. Du hast so schönes Haar.«
    »Danke«, sagte Livia. Wenn sie alt war, wollte sie

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