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Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)

Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition)

Titel: Leichte Turbulenzen bei erhöhter Strömungsgeschwindigkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Shipstead
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und dreißig nichts im Sinn gehabt hatte als seine Bankerkarriere und die systematische Erforschung passender Frauen, die damit endete, dass er sein weibliches Ebenbild fand und mit ihm eine Ehe schloss, die so kalt und perfekt war wie die Verbindung zweier aneinandergefügter Eisblocks in einem Iglu. Sie wurde allgemein Mrs Dicky genannt und man erwartete sie erst kurz vor dem Essen im Anschluss an die Hochzeitsprobe – Arbeit, sagte Dicky junior zur Erklärung. Seit er die dreißig überschritten hatte, schien er sich neben einem ewig brennenden Kamin niederlassen zu wollen, wo er lebenslang mit der Zeitung raschelte und über Ärgernisse grummelte. Francis war das klassische Baby der Familie, verwöhnt und verzogen, doch hatte Livia immer vermutet, das schwarze Schaf sei nicht er, sondern Sterling.
    Sie war neugierig auf den Helden der unmöglichen Geschichten gewesen, die Daphne mit gespieltem Entsetzen erzählte, und endlich spürte sie, wie von einer Brise angeweht, einen Hauch von Sterlings Anziehungskraft. Seine Bereitschaft, die offiziellen Verlautbarungen der Familie zu unterlaufen, gefiel ihr, und sein Selbstvertrauen wirkte reptilienhaft träge. Livia ging ein Licht auf: Vor ihr stand das Trostpflaster, hübsch verpackt und mit Schleife direkt ins Haus geliefert. Wenn sie und Teddy wieder zusammenkamen, würde sie ihm nicht so böse sein, dass er ein-, zweimal fremdgegangen war, wenn sie selbst auch mal ihren Spaß gehabt hatte.
    »Aber du hast beschlossen, nicht weiterzumachen«, sagte Livia zu Sterling. »Jura, meine ich.«
    »Ich musste noch weiter weg.«
    »Du hast eine Seersucker-Hose an. Sehr weit kannst du nicht weggewesen sein.«
    Zum ersten Mal grinste er richtig und zeigte dabei ein Gebiss, das unerwartet weiß und gut gewachsen war. Es war ein Filmstarlächeln. Sein Blick wanderte zu seinen Beinen. »Nicht weitersagen, aber das Seersucker ist ironisch gemeint.«
    Sie patschte mit der Hand leicht in seine Richtung. »Was du nicht sagst.«
    »Studier bloß nicht Jura.« Er war wieder ernst.
    Sie verdrehte die Augen. »Das werde ich auch nicht tun. Ich habe nie gesagt, dass ich es überhaupt in Betracht ziehe. Ich will Meeresbiologin werden.«
    »Ein weiblicher Jacques Cousteau?«
    Sie schmunzelte. »Genau das hat dein Vater auch gesagt.«
    Er zuckte die Achseln. »Es ist eben naheliegend. Ich habe noch nie jemanden über sechs kennengelernt, der Meeresbiologe werden wollte.«
    »Ich will meinen Doktor machen.«
    »Das ist dein Ziel?«
    »Ja, auf jeden Fall.«
    »Na, wenn du es so genau weißt.« Er nahm einen Schluck aus seinem Glas. »Klingt toll. Nach Stipendien jagen, Fische jagen, nach Professorenstellen jagen. Super.«
    Livia sagte: »Erst sagst du, ich soll nicht Jura studieren, und jetzt machst du dich über mich lustig, weil ich was anderes will?«
    Er trat näher und ergriff ihren Unterarm, fest, wie um sie zu stützen. Sein Blick war starr, nicht eindringlich, sondern seltsam inaktiv, als wären seine Augen an ihr hängen geblieben und er sei zu faul, sie loszureißen. »Ich wollte dich bloß ein bisschen aufziehen. Ich bin es nicht gewohnt, mit Leuten zu reden, die wissen, was sie wollen.«
    Er ließ sie los. Sie konnte nicht erkennen, ob jemand die Berührung wahrgenommen hatte. Niemand schien in ihre Richtung zu schauen. »Was macht dich so immun gegen das alles?«, fragte sie.
    »Wogegen?«
    »Das Dorf.«
    »Nichts. Ich bin nicht immun. Ich bin ein Opfer der Übel meiner Erziehung und der Verkommenheit meiner Umgebung.« Er lächelte.
    »Sterling«, rief Oatsie vom anderen Ende der Terrasse, »was erzählst du da?«
    »Wir unterhalten uns bloß ein bisschen, Granny«, sagte Sterling. Er trank seinen Whiskey aus, und seine Augen wurden plötzlich dunkel, so als hätte Oatsie seinen Stecker aus der Wand gezogen.
    Livia sagte leichthin: »Deine Großmutter hat mir gesagt, ich hätte schönes Haar und würde eine wundervolle Anwältin abgeben.«
    Er schnaubte. »Ich würde dich lieber an einem Schiffsbug nach Delphinen Ausschau halten sehen.«
    »Während du irgendwo in Asien sitzt und ironische Hosen trägst.«
    »In Asien sind meine Hosen sehr seriös.«
    Sie beugte sich zu ihm vor. »Du hast gesagt, du redest nicht oft mit Leuten, die wissen, was sie wollen. Weißt du, was du willst?«
    Er verzog keine Miene. »Immer.«
    In der Luft um sie herum stimmte der Abend sein Orchester. »Was denn?«, fragte sie kühn und ängstlich zugleich.
    »Im Augenblick«, sagte er, »will ich mich

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