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Leichte Turbulenzen - Roman

Leichte Turbulenzen - Roman

Titel: Leichte Turbulenzen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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einen gewissen IQ oder ein speziell mathematisches Bewusstsein. Doch bevor sie ihren Nachbarn dazu nach seiner Meinung befragen konnte, fuhr er fort: »Momentan komponiere ich noch für Soaps. Aber ich würde gern mal etwas für eine richtige Hollywood-Liebeskomödie komponieren.«
    »Für eine Liebeskomödie?«
    »Ja, mit Isla Fisher oder Reese Witherspoon.«
    »Reese Witherspoon? Haben Sie sich mal ihre Füße angesehen? Ehrlich gesagt sind ihre Füße der Grund, warum ich den Johnny-Cash-Film nicht mag. In einer Szene legt sie ihre Füße auf den Vordersitz und …«
    Desmond nickte verwirrt. »Und was arbeiten Sie? Arbeiten Sie?«
    Ivy trank ihren Apfelsaft aus, klappte das Tischchen hoch und klemmte den Plastikbecher in die Vordersitztasche, wobei er knackend zerbrach. »Ja, bei Madame Tussauds. Als Bildhauerin. Fünf Tage die Woche, zehn Stunden. Ich arbeite gerne und viel.«
    »Dann sind Sie ja in gewissem Sinne auch in der Filmbranche tätig. Mussten Sie mal die Füße von Reese Witherspoon modellieren?«
    Desmond setzte sich auf und löste seinen Sicherheitsgurt, obwohl in diesem Augenblick über ihren Köpfen die Anschnallzeichen aufleuchteten, der Flieger wackelte spürbar.
    Ivy hielt sich mit den Augen an seinen fest. »Glücklicherweise ist mir das erspart geblieben.«
    Das waren eindeutig Turbulenzen!
    Demonstrativ zog sie ihren Gurt enger und lehnte sich zurück. Dabei konnte sie ihren Blick nicht von Desmonds geöffnetem Gurt lösen. Das kannte sie schon, dieses Unbehagen, das sie überkam, wenn die Dinge nicht nach Vorschrift abliefen. Das war der absolut einzige Charakterzug den sie von ihrem Vater geerbt hatte, alles hatte seine Ordnung, und wenn die Ordnung nicht eingehalten wurde, bekam er Zustände. Ivy spürte diesen schwelenden Widerstand. Irgendwann musste sie über diesen Ordnungsfanatismus – was Situationen anbelangte – hinwegkommen! Dieses Unwohlsein überdeckte gerade sogar ihre Angst vor Turbulenzen. Sie schluckte. »Die Füße werden nur selten ganz und gar ausgeformt, da …«
    »Aber Sie modellieren doch die Stars, oder?«
    »Ja, richtig.« Es kostete Ivy viel Kraft, dieses Gespräch trotz Turbulenzen zu führen. »Zuerst vermesse ich sie, fotografiere sie aus sämtlichen Perspektiven, Detail für Detail, und modelliere dann anhand der Maße ihre Körper. Wenn sie bereits tot sind, hab ich natürlich ein Problem. Dann geht das selbstverständlich nicht mehr. Obwohl ja erzählt wird, dass Madame Tussauds während der Französischen Revolution losgezogen ist, um die äh … abgetrennten Köpfe der französischen Königsfamilie aus den äh … Leichenbergen zu sammeln, um ihre Totenmasken anzufertigen.«
    Die Stewardess kam vorbei. »Klappen Sie bitte das Tischchen hoch und schnallen sich an! Wir durchfliegen gerade leichte Turbulenzen.«
    Desmond lächelte und schnallte sich endlich an. Als die Stewardess den Gang hinunter verschwand, blickte er Ivy ernst an. »Sie brauchen wirklich keine Angst zu haben.«
    Ivy machte ein erstauntes Gesicht. »Sehe ich aus, als hätte ich Angst?«
    »Ich weiß nicht. Wie sehen Sie denn normalerweise aus, wenn Sie Angst haben?«
    »Keine Ahnung. Ängstlich?«
    Dieser Mann, das musste Ivy zugeben, hielt einiges aus. Woher nahm er das Vertrauen, dass alles gut ging? Woher sollte er das wissen? War er Gott, oder was? Oder hatte er nur »das Gefühl«, dass alles gut ging? Niemand auf der Welt konnte mit Gewissheit sagen, dass ein Flugzeug in der Luft blieb, so, wie man nicht definitiv wissen konnte, dass man immer die richtigen Entscheidungen traf oder nicht irgendwann einmal die Kellertreppe hinunterstürzte. Neulich erst war Ivy im Treppenhaus bei Madame Tussauds ausgerutscht und versehentlich in ihren Chef hineingeschlittert, der vor ihr die Stufen hinuntergegangen war. Am liebsten hätte sie Fortier auf der Stelle für das Missgeschick verantwortlich gemacht. Besorgt hatte er ihr auf die Beine geholfen. »Haben Sie sich wehgetan?«
    Mit klopfendem Herzen hatte sie tapfer gelächelt: »Alles bestens.« Hätte sie nicht mit aller Macht die hochsteigenden Tränen zurückgedrückt, wäre sie total zerflossen – oh! –, dann hätte sie nicht mehr aufhören können zu weinen. Und das war das Letzte, was sie vorhatte. Schon als Jugendliche hatte sie begriffen, dass Weinen nichts brachte, egal, wie einsam man sich fühlte. Nicht einmal während der Trennungsphase von Javis hatte sie eine Träne vergossen, woraufhin er gemeint hatte: »Das ist der Grund,

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