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Leichtmatrosen küsst man nicht - Roman

Leichtmatrosen küsst man nicht - Roman

Titel: Leichtmatrosen küsst man nicht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Hand hin, und als Olive sie ergriff, zog er sie vom Stuhl hoch. »Kommen Sie. Ich bringe Sie zu ihm.«
    Er steckte das Geschirrhandtuch, das er in der einen Hand hielt, in seinen Schürzenbund und führte Oliveden vertrauten alten Weg seitlich vom Café hinunter zu dem Haus, in dem Maria-Grazia und Theo Petrakis damals wohnten. Jetzt waren einige Veränderungen zu erkennen. Das kleine Häuschen war fort. An seiner Stelle stand dort ein hübsches neues Haus, zwei Stockwerke hoch und blass mimosenfarben gestrichen. Die Tür war zweigeteilt, die obere Hälfte offen, die untere geschlossen.
    »Papa!«, rief der junge Mann. »Hier ist eine alte Freundin von dir.«
    Und dort, in der oberen Türhälfte, erschien ein Mann. Das war Atho. Ihr Atho. Dasselbe starke Kinn, dieselben dichten Haare, wenn auch mit weißen Strähnen darin, dieselben weichen Lippen und die ach-so-dunklen Augen. Diese Augen weiteten sich nun vor Schreck.
    »Olive?«, rief er. »Nein, das kannst nicht du sein. Das ist ein Traum!«
    Im nächsten Moment warf er die untere Tür auf und stürmte den kurzen Weg entlang auf seinen Sohn und die Besucherin zu. Seine starken Arme umfingen sie, ehe er sie auf Abstand hielt, um sie anzusehen, als könnte er nicht fassen, dass sie wirklich hier war. Dann drückte er sie erneut an sich. Hinter ihr schien der junge Atho seinem Vater zu sagen, dass er vorsichtig sein und sie nicht so grob anfassen sollte. Falls dem so war, hoffte Olive inständig, dass Atho nicht auf ihn hörte.
    »Das ist Olive«, sagte Atho zu seinem Sohn, und dabei schwang so viel Zärtlichkeit in seiner Stimme mit. »Sie ist eine sehr alte Freundin von deinem Papa. Eine liebe und wunderschöne alte Freundin.«
    Einen Arm ließ er um Olive geschlungen und dirigierte sie zum Haus.
    »Geh, Atho«, wies er seinen Sohn an. »Ich habe eine Dame zu Besuch. Eine Dame aus England, die ich seit zwanzig Jahren nicht gesehen habe.«
    Lachend winkte Atho junior ihnen zu und rief: »Ich bin schon weg, Papa. Ich bin ja dein Sklave im Café.«
    »Komm, Olive. Komm in mein Haus. Geht es dir gut? Atti sagt, dass ich vorsichtig mit dir sein soll.«
    »Mir geht es gut. Mir wurde nur ein bisschen schwindlig, als ich ihn sah. Ich dachte, das wärst du.«
    »Wie nett, dass du denkst, ich wäre siebzehn«, sagte Atho, nahm Olives Handgelenk und drehte sie zu sich. Seine andere Hand legte er sanft an ihre Wange, und seine braunen Augen blickten direkt in ihre.
    »Ich glaube es nicht. Ich kann nicht glauben, dass du das bist. Zwanzig Jahre, und du bist hier. Wie lange bleibst du bei mir? Bist du für immer hier?«
    »Ich bin auf einer Kreuzfahrt. Wir bleiben nur wenige Stunden auf der Insel.« Olive konnte nicht aufhören, ihre Wange dichter in seine Hand zu schmiegen. Seine Haut roch wie früher   – seifensauber mit einem zarten Hauch von süßen Kräutern. Sie schloss die Augen, und die Jahre zwischen jetzt und ihrer letzten Begegnung verschwanden.
    »Komm rein«, sagte er mit seiner tiefen, sanften Stimme. »Das Haus ist ganz anders als beim letzten Mal, oder? Wahrscheinlich das Einzige, was sich in Tanos verändert hat.«
    Das Hausinnere war ein großer, offener Raum. Zur Rechten befand sich eine weiße Küche, zur Linken standen cremefarbene Sofas auf dicken Teppichen. Die beiden Bereiche trennte ein langer Esstisch mit acht Stühlen.
    »Es ist wunderschön, Atho«, sagte Olive.
    »Ich habe es für die Familie gebaut. Setz dich, setz dich.« Er nahm zwei Gläser und einen hohen Krug von der Arbeitsplatte und schenkte ihnen Wein ein.
    Die Familie . Es war ein großes Haus, also hatte er offensichtlich geheiratet und Söhne, Töchter, vielleicht sogar Enkel. Es war dumm zu denken, dass er all die Jahre nur auf ihre Rückkehr gewartet hatte.
    »Hast du eine große Familie?«, fragte Olive und nippte an ihrem Wein.
    »Nur meinen Sohn. Eines Tages gehört ihm das alles, aber ich glaube nicht, dass er es will. Er wohnt lieber in dem Zimmer überm Café. Erinnerst du dich daran?« Er lächelte sie an. Das kleine Zimmer über der Bar mit den dicken verputzten Wänden, den winzigen Fenstern   – und dem quietschenden Bett.
    »Also hast du das alles für dich   … und für deine Frau   …?«, fragte Olive und versuchte, nicht rot zu werden.
    Atho strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
    »Meine Frau ist zwei Monate nach Athos Geburt gestorben. Sie war ein reizendes Mädchen, aber sie hatte ein krankes Herz. Wir wussten es nicht, bis sie starb.«
    »Oh, Atho, das

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