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Leichtmatrosen küsst man nicht - Roman

Leichtmatrosen küsst man nicht - Roman

Titel: Leichtmatrosen küsst man nicht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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tut mir leid.« Olive nahm seine Hand, die sich so groß, männlich und fest anfühlte.
    »Es ist lange her«, sagte Atho. »Jetzt erzähl mir von dir.«
    »Ich bin verheiratet, keine Kinder.«
    »Bist du glücklich?«
    Olive wollte lächeln, aber es gelang ihr nicht. Atho hob ihr Kinn mit einem Finger und sah die unausgesprochene Traurigkeit in ihrem Blick.
    »Wir essen etwas, und du erzählst mir von den letzten zwanzig Jahren«, beschloss er, stand auf und begann, in der Küche mit Tellern und Essen zu hantieren. Nun musste Olive richtig lächeln, denn Atho bewegte sich bis heute mit dem Schwung und der Wendigkeit eines Chefkochs: energisch, geübt und mit ausladenden Gesten. In seinen Adern floss neben griechischem auch italienisches Blut. Sein Großvater war einer der bedauernswerten Soldaten der Acqui-Division gewesen, die von den Nazis abgeschlachtet worden waren. Damals war Athos Großmutter Ariadne mit ihrer Tochter Maria-Grazia schwanger gewesen. Ihm zu Ehren taufte Ariadne ihre Tochter auf den Namen der Mutter ihres Geliebten.
    Atho warf Olive einen Brotlaib zu, die ihn auffing und Scheiben abschnitt. Unterdes pflückte er Salatblätter in eine Schale, gab Öl und Knoblauch dazu und dann noch eingelegte Tomaten aus einem Tontopf. Er zerkrümelte Ziegenkäse und schnitt Fleisch mit einem uralten, aber tödlich scharfen Messer. Dann drückte er eine Zitrone über einer Schale mit glänzenden Oliven aus und stellte sie mit einem ausholenden Armschwung auf den Tisch.
    Bei diesem rustikalen, köstlichen Mahl redeten sie. Olive erzählte ihm von ihren Freundinnen, der Kreuzfahrt und wie sie ihren Lebensunterhalt verdiente. Und Atho erzählte ihr, wie er mit den Jahren einiges an Immobilien gekauft hatte, zu Geld gekommen war und seine Eltern sich nach Fiskardo im Norden der Insel zurückgezogen hätten, um näher bei ihrer Tochter zu sein. Allerdings erst nachdem Atho junior groß war. Atho hatte nach dem Tod seiner Frau nicht wieder geheiratet. Nicht dass er ein Engel gewesen wäre. Es hatte durchausFrauen gegeben, aber keine, mit der er sein Bett länger als ein oder zwei Nächte teilen wollte.
    »Ich dachte, Gott will mir vielleicht sagen, dass mir das Alleinsein bestimmt ist«, sagte er und tunkte ein Stück Baklava in den Honig.
    »Du klingst weniger allein als ich es bin«, entgegnete Olive traurig. Atho hörte auf zu essen und schenkte ihnen Wein nach.
    »Ich hatte an euren Bürgermeister geschrieben, um dich ausfindig zu machen, aber ich bekam keine Antwort.«
    »Das hast du?«, fragte Olive erstaunt.
    »Natürlich. Er hielt mich wahrscheinlich für irgendeinen verrückten Griechen, der scharf auf einen englischen Pass ist. Aber erzähl mir von deinem Mann.«
    Olive seufzte. Sie hatte keine Ahnung, wo sie anfangen sollte, also half Atho ihr auf die Sprünge.
    »Sorgt er für dich? Hat er dir ein Haus gebaut?«
    »Wir wohnen bei seiner Mutter.«
    »Arbeitet er hart für dich?«
    »Äh   … Er hat Rückenprobleme.«
    »Liebst du ihn?«
    Olive öffnete den Mund, stellte jedoch fest, dass sie nicht darauf antworten konnte. »Nein« zu sagen wäre unfair. Aber sie konnte es auch unmöglich gegenüber jemandem bejahen, den sie so geliebt hatte wie Atho Petrakis. Wie sollte sie die »Liebe« ihres Mannes und seine leeren Versprechen mit der von damals vergleichen, mit dem Mann, der mit ihr Picknicks am Strand machte, sie im Meer küsste und mit ihr über das unsagbar blaue Wasser eines magischen Sees geglitten war? In jenem Sommer in Kefalonia war sie aufgeblüht, gediehdank Athos Zärtlichkeit. Er hatte gewusst, dass sich in der Liebe alles ums Geben drehte. Mit »Geben« kannte Olive sich aus; von kleinauf an war sie gedrillt worden, für andere zu sorgen und ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse hintan zu stellen. Ihr war es fremd, dass jemand etwas für sie tat, und es machte sie unsicher. Sie glaubte, es nicht wert zu sein. Dabei hätte das Leben für zwei Menschen, die einander alles gaben, was sie hatten, so schön sein können.
    Athos Stimme war herzzerreißend sanft, als er fragte: »Olive, warum hast du mich verlassen? Ich dachte, wir wären glücklich.«
    »War ich. Das war ja das Problem. Ich war zu glücklich.«
    »Wie kann man ›zu glücklich‹ sein?« Er ballte die Fäuste auf dem Tisch.
    Olive schüttelte langsam den Kopf. »Das habe ich mich selbst schon oft gefragt. Ich wollte von Anfang an nur für einen Sommer herkommen. Den einen Sommer, in dem ich beruhigt weg konnte, weil es meinen

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