Leichtmatrosen küsst man nicht - Roman
sehr jung und gut aussehend gewesen, was den »Titen«, die herunterhingen, eine besondere Würze verlieh. Komisch, dass er jetzt auf die Rente zuging.
Draußen vor der Höhle sorgte die Sonne für eine Gluthitze. Die vier setzten sich in ein Café, wo sie eiskaltes Mineralwasser bestellten. Unter ihren Stühlen räkelten sich schläfrige Katzen und hofften auf Leckerbissen . Danach stiegen die Freundinnen wieder in den Bus und fuhren weiter zu den Höhlen von Melissani.
Olives Knie zitterten, als sie denselben Weg hinunter in die Höhle ging wie zwanzig Jahre zuvor. Damals war die Höhle wegen Instandhaltungsarbeiten gesperrt gewesen, doch Atho hatte den Vorarbeiter überredet – oder bestochen – sie für eine Stunde allein hineinzulassen. Diese Erinnerung hatte Olive wie eine Kostbarkeit fest in sich verschlossen, nur sprang sie nun aus ihrer Schatzkiste und übernahm Olives Gedanken.
Olive ging den kühlen Steintunnel hinunter, und kaum erblickte sie den unglaublich blauen See, wurde sie zu jenem magischen Nachmittag zurückkatapultiert.
»Mein Gott, guckt euch diese Farbe an!«, hauchte Roz. Der Melissani-See lag zwar in einer Höhle, doch deren Dach war vor vielen Jahren teils eingestürzt, und jetzt stand die Mittagssonne direkt über der Öffnung und beleuchtete das Wasser.
»Wartet, bis ihr im Boot seid und nach unten seht«, sagte Olive.
Bald stiegen sie in eines der kleinen Ruderboote undglitten hinaus auf den See. Das Wasser war türkisblau, klar und tief, halb Salz-, halb Süßwasser. Der See wurde vom Wasser auf der anderen Seite der Insel gespeist, das sich auf wundersame Weise einen Weg durch den Felsen gebahnt hatte.
»Ich möchte am liebsten reintauchen«, sagte Roz fasziniert.
»Es ist kälter als es aussieht«, warnte Olive sie. Atho und sie hatten sich in dem Boot im Sonnenschein geliebt und waren hinterher ins Wasser getaucht, um es auf der Haut zu fühlen. Verträumt strich Olive mit einer Hand über die Wasseroberfläche. Der See war nach der Nymphe Melisanthi benannt, die den Gott Pan liebte und sich, als er ihre Gefühle nicht erwiderte, ins Wasser stürzte und ertrank.
Die Liebe war fragil und kostbar; trotzdem behandelten die Menschen sie nicht entsprechend, verhielten sich idiotisch – ganz besonders Olive. Sie hatte gefühlt, wie stark Athos Liebe zu ihr war, und war vor ihr geflohen. Hier in dieser Höhle hatte er ihr gesagt, was er für sie empfand, wie sehr er sie wollte, mit Leib und Seele. Seine Gefühle waren ungekünstelt, seine Leidenschaft ehrlich und wild gewesen, und dennoch war er ein sanfter und selbstloser Liebhaber gewesen. Olive hatte an jenem Tag den Himmel der Sinnlichkeit gesehen.
David liebte sie nicht, das war ihr inzwischen klar. Sie war für den reibungslosen Ablauf seines Lebens notwendig, und sollte sie ihn jemals verlassen, würde ihm die Bequemlicheit fehlen, aber nicht Olive selbst. Hierin unterschieden sich die beiden Männer. Atho hatte Olive von ganzem Herzen geliebt; David hingegen hätte irgendeine Frau heiraten und zufrieden sein können. Undwelchen von beiden hatte sie sich ausgesucht, um mit ihm ihr Leben zu verbringen?
Als das Boot wieder anlegte, wurde Olive plötzlich klar, dass sie nach Tanos musste.
»Ich finde allein zum Schiff zurück«, sagte sie am Höhlenausgang zu den anderen und lief auf eine von zwei Taxen zu, die bei den Bussen standen. Beim Einsteigen hörte sie, wie ihre Freundinnen riefen:
»Das wurde aber auch mal Zeit!«
53. Kapitel
Im Flur standen zwei Koffer mit allem, was Doreen in ihr neues Heim mitnehmen wollte: Kleidung, Fotos, Toilettenartikel, sonst nichts. Sie warte darauf, dass Vernon sie in seinem Rolls-Royce mit Chauffeur abholte.
Eine weitere erfreuliche Nachricht war, dass Kevin wieder zur wüsten Wendy zog. Anscheinend konnte sie ohne ihre »Liebeswurst« nicht leben, wie er morgens erzählte, als David gerade in sein Frühstückswürstchen beißen wollte. Das bedeutete, dass David und Olive das Haus endlich für sich allein haben würden.
»Tut mir leid, wenn das alles ein bisschen viel für dich auf einmal war«, sagte Doreen, die auf dem Stuhl im Flur saß. Ihre Stimme nahm einen weichen Klang an, als sie von dem Mann sprach, der David großgezogen hatte. »Herbert war ein guter Mensch, musst du wissen. Ich mochte ihn sehr. Natürlich war er sehr viel älter als ich, aber es war trotzdem eine schöne Ehe.«
Bei dem Gedanken an seinen »Dad« bekam Davideinen Kloß im Hals. Er war nett
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