Leichtmatrosen küsst man nicht - Roman
sich ein Lächeln ab. Es war ein komplettes Dessert in einem Glas – ein unverzichtbarer Teil der »fünf kleinen Mahlzeiten pro Tag«, wie Roz behauptete.
»Ich fasse nicht, dass es gleich schon wieder Mittag ist«, sagte Olive, die sich aufsetzte, um ihren Cocktail in Empfang zu nehmen, und auf ihre Uhr blickte. Es war halb zwölf am Vormittag, und sie trank Alkohol. Wie herrlich verwegen das war! Überhaupt fühlte sie sich momentan rebellisch wie nie. Ihre Träume letzte Nacht hatten ausschließlich um Atho Petrakis gekreist; in ihnen machte er dort weiter, wo er gestern aufgehört hatte, und beim Aufwachen war Olive so aufgeheizt gewesen, dass sie drauf und dran war, Jesus aus dem Korridor in ihre Kabine zu zerren. Leider wusste sie allzu gut, sollte sie nach Kefalonia zurückkehren, würde sie die ganz große Leidenschaft erwarten. Atho war immer ein unbeschreiblich aufmerksamer, einfallsreicher, großartiger Liebhaber gewesen. Wie hatte sie sich danach bloß auf David mit seinem ungeschickten Gefummel und seinem rein egoistischen »Liebesspiel« einlassen können? Und auch noch mit Doreen einen Stock tiefer? Olive hatte immer Angst gehabt, dass ihre Schwiegermutter alles hörte, was keine idealen Voraussetzungen für ein erfülltes Eheleben war. Nicht dass David sonderlich leidenschaftlich wäre. Er schob hin und wieder eine Nummer mit ihr, und wenn sie tatsächlich mal etwas davon hatte, dann eher zufällig. Allerdings hatte sie auch nie versucht, etwas zu ändern, indem sie beispielsweise mit ihm einen Ausflug nach Pogley Top Woods machte – was für Barnsley-Verhältnisse einem Olivenhain am nächsten kommen dürfte. Ebenso wenig hatte sie ihm je gezeigt, was ihr gefiel. Sie ließ ihn einfach machen, was er wollte, Hauptsache David war zufrieden. An ihrem Frust trug sie folglich mit Schuld.
Nächste Woche um diese Zeit würde sie wieder in der Land Lane sein, ihre Sachen zusammenpacken und Mr. Padgetts oberes Stockwerk putzen. Der alte Mann war ihr unheimlich, denn er erfand dauernd irgendwelche Gründe, um sich an ihr vorbeizudrängeln oder sie »versehentlich« anzutatschen. Uärgs. Vielleicht hätte sie bis dahin schon »Willkommenssex« mit David gehabt. Er würde sich mitten in der Nacht auf sie rollen und sich zu seinem Orgasmus ächzen und stöhnen, während sie dalag und in ihre Fantasie zu Filmstars und griechischen Café-Besitzern abdriftete. Ein mieser Ersatz für den echten Mann, der in einem Garten voller weißer Rosen auf sie wartete. Oh Gott, warum war sie wieder zum Café gefahren? Ohne die Wahl zu haben, war das Leben so viel leichter.
Ven nippte an ihrem Schoko-Bananen-Cocktail und verschluckte sich beinahe, als Nigel auf der anderen Seite des Pools erschien. Er schritt zielstrebig am Beckenrand entlang, da hielt ihn eine Frau in einem pinkfarbenemen Sarong auf, die ihm ihre perfekt manikürte Hand auf den Arm legte und ihn in ein Gespräch verwickelte. Sie warf neckisch ihr Haar in den Nacken, streckte die Brüste raus und zog den Bauch ein. Viel offensichtlicher wäre ein »Vögel mich«-Tattoo auf ihrer Stirn auch nicht, dachte Ven verärgert.
Ven konnte nichts gegen ihre Eifersucht tun, obwohl sie völlig idiotisch und ungerechtfertigt war. Schließlich konnte sie keinerlei Ansprüche auf Nigel erheben. Er wurde dafür bezahlt, nett zu Passagieren zu sein, und würde sich in einer Woche nicht mal mehr an ihren Namen erinnern, weil er dann mit der nächsten Gruppe beim Abendessen saß und freundlichen – ganz reizenden – Smalltalk machte.
Er lächelte die Möpseschwingerin an, die beim Sprechen flirtend mit den Händen herumfuchtelte. Dann wanderten seine Augen zur Seite, und für einen Sekundenbruchteil bildete Ven sich ein, er sähe zu ihr. Sie wollte schon winken, als er sich wieder der Möpsetrine zuwandte und gemeinsam mit ihr wegging.
Die Sonne stand hoch am Himmel und strahlte sich um Sinn und Verstand. Über vier der Sonnenliegen jedoch schienen dunkle Wolken zu hängen.
57. Kapitel
An diesem Nachmittag war Roz die Erste in dem Raum, in dem der Bauchtanzkurs stattfand. Von den ursprünglichen Teilnehmerinnen hatten fünfzehn bis jetzt durchgehalten, und von denen wiederum war Roz mit Abstand von mindestens zehn Jahren die Jüngste. Nach ein bisschen Hüftendrehen und Aufwärmen verbannte sie ihre zermarternden Gedanken und folgte Gwens Bewegungen.
Eine Frau, die sich ihrer Reize bewusst war, leuchtete von innen heraus. Das hatte Roz sich nie gestattet.
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