Leichtmatrosen küsst man nicht - Roman
war bei allem Kitsch unglaublich gut. Roz hatte zunächst gemault, weil die anderen sie mit zu der Show zerrten, klatschte aber am lautesten nach einer Zugabe, als er sich am Schluss verbeugte.
»Das war irre!«, rief sie. »Mehr. Mehr!«
»Was ist nur in sie gefahren?«, fragte Ven.
»Sie hat ihr Korsett in diesem Urlaub so sehr gelockert, dass es am Ende noch abfliegen wird«, kicherte Frankie. Im nächsten Moment wurde ihr klar, wie nahe das Ende der Kreuzfahrt war, und ihr Lachen bekam einen bittere Note.
Auch Ven hatte das schreckliche Wort gehört, aber wenigstens konnte sie ihren Freundinnen noch etwas eröffnen, das den Abschiedsschmerz erheblich mildern würde.
Tag 12
Auf See
Dresscode: Lässig-elegant
56. Kapitel
Am nächsten Morgen, während sie sich am Topaz Pool sonnten, betrachtete Roz das Tattoo an Frankies Schulter. Sie musste zugeben, dass der kleine Engel wirklich sehr schön gearbeitet war.
»Hat das wehgetan, das Tätowieren?«, fragte sie.
Frankie unterbrach ihre Lektüre. »Es hat ziemlich nervig gekratzt.«
»Wie bist du darauf gekommen, dich tätowieren zu lassen?«
»Ich dachte, ein Engel an meiner Schulter kann auf mich aufpassen. Ich kann ihn anfassen und um Hilfe bitten. Schwachsinnig, ich weiß, aber wenn man verzweifelt ist, probiert man alles.«
»Wie zum Beispiel beigefarbene Klamotten kaufen, um nicht aufzufallen?«, scherzte Roz.
»Ja, und dabei hoffen, dass der Sensenmann mich nicht bemerkt«, ergänzte Frankie, lachte aber gleich laut. »Tja, das Zeug wandert jedenfalls in den Container.« In dem neuen orangefarbenen Badeanzug, den sie in Kefalonia gekauft hatte, wölbte sich ihr Busen nach oben. Nein, sie wollte sich nicht mehr hinter matten Farben verstecken.
»Früher hast du nur Sachen getragen, bei denen ich schon vom Hingucken Migräne bekommen habe. Es war total verrückt, dich am ersten Tag an Bord in Beige zu sehen. Einfach falsch. Obwohl ich gestehe, dass ich es ganz schön frech fand.« Grinsend knuffte Roz sie.
»Tja, offenbar hast du gefehlt, um mich aufzuziehenund zu lästern, schätze ich. Du hättest mir beizeiten gesteckt, dass meine Sachen mindestens psychedelisch sein müssen.«
Roz war für einen Moment von ihren Gefühlen überwältigt, weshalb sie sich freiwillig anbot, ihnen etwas zum Trinken zu holen. Gott, sie war so eine beknackte Kuh gewesen! Eine blindwütige, fiese, selbstsüchtige alte Schreckschraube. Wie hielt Manus es nur mit ihr aus? Und vor allem: Hoffentlich war es noch nicht zu spät, die Dinge richtigzustellen.
Dom Donaldson drängte sich an der Bar direkt vor Roz. Die Worte »bitte« und »danke« beherrschte er offenbar nicht. Wie üblich war seine Angelina für Arme zwei Schritte hinter ihm. Sie kaute ziemlich zweideutig auf ihrem Sonnenbrillenbügel und stand in einer Pose da, die ihre Traumfigur besonders gut zur Geltung brachte. Roz fragte sich, worüber die zwei sich unterhielten, wenn sie allein zu Hause waren: Einsteins Relativitätstheorie? Darwins Evolutionslehre? Vor ihrem geistigen Auge erschien die Vision des Schauspielers in einem Smoking und Lederslippern, der in einem protzigen Haus Hof hielt, und sie musste unweigerlich kichern. Dom Donaldson bedachte sie mit einem vernichtenden Blick, denn er erkannte sie als die Frau wieder, die ihn dreist belästigt und aufgefordert hatte, eine dämliche Geburtstagskarte zu unterschreiben. Wüssten seine zahllosen Bewunderinnen doch nur, was für ein arrogantes Arschloch er war. Ven war zum Glück nach wie vor vollkommen ahnungslos. Wen man vergöttert, sollte man lieber nie kennenlernen, hieß es doch im Volksmund, nicht?
Frankie entdeckte Vaughan, der an ihr vorbeiging, ehe er sie bemerkte, und ihr Herz pochte schneller. Er drehtesich zu ihr um, als hätte er es gehört, und sie hatte keine Chance, die Nase in ihr Buch zu vergraben. Er winkte ihr verhalten zu, weil alles andere zu ungehörig gewesen wäre, ging aber zügig weiter. Frankie wollte ihm nicht nachsehen, aber ihre Augen schweiften von selbst immer wieder zu seinem langen, muskulösen, sonnengebräunten Rücken. Seine Unterkühltheit schmerzte sie mehr, als sie zugeben wollte. Die alte Frankie hätte einfach mit den Fingern geschnippt und »Der Nächste bitte« gerufen. Die neue Frankie hingegen pfiff nicht mehr darauf, was andere von ihr dachten. Sie hatte eben eine Menge Zeit zum Grübeln gehabt, solange sie Beige trug und unsichtbar war.
Als Roz mit Schokoladen-Bananen-Cocktails wiederkam, rang Frankie
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