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Leichtmatrosen küsst man nicht - Roman

Leichtmatrosen küsst man nicht - Roman

Titel: Leichtmatrosen küsst man nicht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Stunden von der Arbeit. Solange konnte Doreen nicht warten.
    Weil sie allein im Haus war, konnte sie sich die Schauspielerei wegen ihrer angeblich höllisch schmerzenden Beine sparen. Mühelos stand sie auf, ging quer durchs Zimmer zu ihrer Handtasche und blickte noch einmal zur Uhr. Nein, die nächsten paar Stunden würde wirklich keiner von ihnen nach Hause kommen. Also konntesie beruhigt zum Zeitungsladen in der Warren Street laufen und Nachschub besorgen.
    Vorsichtig öffnete sie die Haustür und spähte nach rechts und links. Die Straße war menschenleer. Mit ihrem Gehstock unterm Arm ging Doreen hinaus und zog rasch die Tür hinter sich zu. Dann marschierte sie erstaunlich schnell und behände die Straße entlang.
    Im selben Moment, als Doreen um die Ecke der Land Lane bog, hielt ein zerschrammter gelber Volvo ein paar Türen vom Haus der Hardcastles entfernt.
    »Lass mich hier raus, Gary«, sagte David zum Fahrer. Er wollte nicht, dass jemand aus dem Fenster guckte und ihn mit seiner Werkzeugtasche sah. »Hast du mein Geld?«
    »Hab ich«, antwortete Gary, zog die Handbremse an und angelte einen braunen Umschlag aus seiner Tasche. »Bar auf die Hand, wie abgemacht.« Er tippte sich an die Nase. »Ich hätte nächste Woche noch ein paar Dacharbeiten für dich, wahrscheinlich Mittwoch oder Donnerstag, vorausgesetzt es schüttet nicht. Ich ruf dich auf dem Handy an.«
    »Super«, sagte David. Dachverleibungen waren schnell verdientes Geld, und zurzeit hatte er eine Brieftasche voller Scheine, weil Gary ihm so viel Arbeit besorgte. Er durfte es aber nicht übertreiben, sonst riskierte er noch, dass irgendwer vom Amt etwas mitbekam und ihm die Sozialhilfe strich. Und erst recht durfte Olive nicht herausfinden, dass seinem Rücken nichts fehlte. Sie sollte ihn weiter so umsorgen. Daran hatte er sich genauso sehr gewöhnt wie daran, von seiner Mum bemuttert zu werden.
    David stieg aus dem Wagen, schwang sich die schwere Werkzeugtasche auf den Rücken und winkte Gary zu, als der abfuhr. Am Haus angekommen, öffnete er die Garagentür seitlich vom Eingang und warf seine Tasche hinein. Dann machte er sich bereit, ins Haus zu gehen: Er ließ die Schultern hängen und wölbte den Rücken, das Gesicht schmerzverzerrt. So humpelte er die Stufen zur Eingangstür hinauf und zückte den Schlüssel. Er war so hingerissen von seiner schauspielerischen Leistung, dass er die Gestalt an der Straßenecke gegenüber gar nicht bemerkte.
    Vens Handy bimmelte, als sie zum zigsten Mal prüfte, ob sie auch alles eingepackt hatte   – Geld, Tickets, Pass. Die Nummer auf dem Display kannte sie nicht, deshalb meldete sie sich vorsichtig mit »Hallo?«
    »Ich bin’s«, sagte Olive mit zitternder Stimme.
    »Hi, Ol. Alles okay?«
    »Oh, Ven, ich weiß nicht, was ich machen soll!«
    »Was ist denn los, Süße? Wieso bist du so fertig?«
    »Fertig? Pah!« Auf einmal klang Olive viel lauter. »Ich bin nicht fertig. Ich koche vor Wut. Ihr habt beide recht. Ich bin bescheuert, und man sollte mir links und rechts   …«
    »Ol, beruhige dich und rede bitte etwas langsamer«, befahl Ven. »Wo bist du?«
    »In der Telefonzelle vor der Post in der Ketherwood Street«, antwortete Olive, die so schwer atmete, als machte sie sich für einen Kampf gegen Muhammad Ali bereit.
    »Rühr dich nicht von der Stelle. Ich komme und hole dich.«
    Olive war in einer furchtbaren Verfassung. Sie war den Tränen nahe und so niedergeschlagen, dass sie an Selbstmord dachte.
    »Verdammt, was ist los?«, fragte Ven, als sich ihre Freundin auf den Beifahrersitz warf und den Gurt umschnallte.
    »Ich glaube euch. Ich glaube, dass David ein Schwindler ist und Geld für seinen Rücken kassiert, obwohl er völlig gesund ist. Und ich glaube euch, dass Doreen ihren fetten Arsch problemlos aus dem Sessel schwingen und einkaufen gehen kann. Ich glaube außerdem, dass die ganze beknackte Hardcastle-Sippe mich für einen Fußabtreter hält, und ich erbärmlich bin, weil ich mich von ihnen so behandeln lasse. Gott, werde ich denn niemals schlauer?«
    »Wow«, sagte Ven, die ihre Augenbrauen in schwindelerregende Höhen zog. »Wie kommt es denn zu dieser plötzlichen Selbstgeißelung?«
    »Ich habe sie gesehen«, sagte Olive, und nun flossen doch Tränen: heiße, zornige Tränen, die Olive gar nicht so schnell wegwischen konnte, wie sie ihr aus den Augen quollen. »Ich hatte Kopfschmerzen und deshalb meinen zweiten Putzjob abgesagt, und weil ich dann kein Guthaben mehr auf meinem

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