Leichtmatrosen küsst man nicht - Roman
wusste, denn es brachte sie fast um.
»Guten Abend, meine Damen«, begrüßte Eric sie, der mit Irene zu ihrem Tisch kam. »Entschuldigen Sie die Verspätung, aber wir haben noch mit den Offizieren geplaudert.«
»Oh ja, mit Philip. Was für ein reizender Mann! Er war schon auf mindestens fünf anderen Kreuzfahrten mit uns.«
»Hat er Sie wiedererkannt?«, fragte Olive.
»Und ob«, antwortete Eric mit stolzgeschwellter Brust.
»Einmal gesehen, nie wieder vergessen«, murmelte Frankie hinter ihrer Speisekarte.
»Guten Abend allerseits«, sagte Royston und rückteStella einen Stuhl zurecht. »Holla, sehen die Damen heute Abend schick aus!«
»Kann man wohl sagen!«, pflichtete Eric ihm bei.
»Die Herren sehen auch nicht schlecht aus«, bemerkte Frankie strahlend.
»Und, was haben Sie vier heute gemacht? Sind Sie an Land gegangen?«, fragte Eric lachend, nachdem er bei Elvis bestellt hatte.
Hinter ihm verdrehte Irene die Augen.
»Das fragt er an jedem Seetag«, sagte sie mit ihrer verhuschten Stimme. »Ist sein kleiner Scherz.«
»Weil man nicht von Bord kann, verstehen Sie?«, fragte Eric, um seinem ohnehin schlechten Witz endgültig den Todesstoß zu versetzen.
»Ah.« Ven nickte und spielte mit. »Nein, wir dachten, wir bleiben an Bord. Wir haben einfach ausgespannt, Kaffee getrunken und waren im Spa.«
»Ihr Haar sieht sehr hübsch aus«, sagte Stella zu Olive.
»Oh, danke.« Olive war sofort verlegen, weil alle sie ansahen und Stella zustimmten.
»Waren Sie oben im Salon? Ich gehe vor den Galadiners auch immer hin.« Stella fasste sich ins aschblonde Haar, in dem so viel Haarspray klebte, dass es sich nicht einmal in einem Hurricane bewegt hätte. »Ich bin jederzeit für kleine Verbesserungen zu haben«, fügte sie augenzwinkernd hinzu.
»War keine von Ihnen seekrank?«, fragte Eric.
»Frankie«, antwortete Ven.
»Der Golf von Biskaya«, nickte Eric. »Der kann recht ungemütlich sein. Obwohl das nichts ist verglichen mit unserer einen Atlantiküberfahrt, weißt du noch, Irene? Als wir Windstärke zwölf hatten? An dem Tag musste sogar ich mich hinlegen!« Er lächelte verträumt, als würde er in einer besonders schönen Erinnerung schwelgen, und erzählte von Wellen, die bis zum zwölften Deck reichten, und drei Millionen zerbrochenen Gläsern, die von den Barregalen purzelten.
Der Oberkellner machte seine Runde – ein Kleiderschrank von einem Mann mit einem breiten Lächeln und einem dichten schwarzen Haarschopf. Er hatte etwas von einem freundlichen Militärdiktator. Seinen richtigen Namen erfuhren die vier Freundinnen nicht, denn Eric sprang auf, begrüßte ihn mit heftigem Händeschütteln und machte ihn mit dem Tisch bekannt.
»Dies ist mein Freund Supremo. Er ist der Boss auf diesem Schiff«, verkündete Eric strahlend. »Falls Sie irgendwelche Probleme in einem der Restaurants haben, ist er Ihr Ansprechpartner.« Supremo lachte teils stolz, teils verlegen, wobei der Stolz eindeutig überwog.
Nach einem kurzen Geplauder und seiner Ankündigung, dass es morgen Abend ein mexikanisches Büfett in der Buttery gab, verteilte Supremo rote Nelken an die Damen und ging zum nächsten Tisch. Frankie fiel auf, dass an den Tischen heute Abend zahlreiche Plätze leer waren. Dort fehlten die Leute, die so unvernünftig gewesen waren, sich keine Spritze beim Arzt abzuholen. Frankie fühlte sich fantastisch, obwohl das Schiff noch ziemlich stark schaukelte. Sie fragte sich, wie es Vaughan ging. Und sie war natürlich auch neugierig, wie er im Anzug aussah.
Ihre Neugierde wurde befriedigt, als sie nach dem Essen ins Theater gingen, wo ein Sänger und Stimmimitator auftrat. Dort erblickte sie flüchtig Vaughans Zopf hinten über einem Smoking. Vaughan fuhr sich mit demFinger innen an der Kragenkante entlang, als könnte er in dem Hemd nicht atmen. Es rührte Frankie, wie sehr er sich bemühte, obgleich er nicht den Hauch einer Chance hatte, in diese Gesellschaft zu passen. Er war einer jener Männer, die sich öl- und fettverschmiert am wohlsten fühlten, wie Manus.
Nach der Vorstellung gingen sie auf einen Irish Coffee in die Vista Lounge, aber schon um halb elf waren sie alle vier kurz vorm Einnicken und beschlossen, zu Bett zu gehen. Wie ermüdend das Nichtstun doch sein konnte.
Tag 3
Auf See
Dresscode: Halbförmlich
27. Kapitel
Frankie war um halb zehn am nächsten Morgen ausgeschlafen und hatte sich bereits fertig gemacht. Sie zog die dicken Vorhänge zurück und blickte auf bewölkten
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