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Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Titel: Leichtmatrosen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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auf die beiden Boote direkt vor uns, deren Mannschaften genau das taten. »Vom Ufer aus.«
    »Ja, treideln «, erklärte Henner kryptisch.
    Es dauerte fast eine Stunde, bis ich die Dahme schließlich in die Schleusenkammer steuerte. Wir fuhren als Letzte ein und passten noch gerade so hinein – keine Ahnung, was wir getan hätten, wenn das nicht der Fall gewesen wäre, denn rückwärts fuhr der Kahn in alle möglichen Richtungen, nur nicht in die, in die man steuerte. Der Schleusenwärter von gestern kam aus seinem Häuschen, stellte sich neben uns und sagte lächelnd: »Ihr wieder.«
    »Ja, wir wieder«, sagte Mark, ohne die Augen zu öffnen.
    Hinter uns fuhren aber noch ungefähr zwanzig dunkelrote Kanus ein, die sich über die größeren Schiffe verteilten. Die Leute, die in den Kanus saßen, nahmen die Paddel hinein und hielten sich an den Stangen auf der anderen Seite oder den größeren Pötten fest. Direkt neben unserem Steuerstand hielt so ein Paddelboot, in dem zwei Frauen saßen, Anfang dreißig, schätzte ich, aber ich konnte nur die Köpfe und Teile der Oberkörper sehen. Der vordere gehörte einer Frau mit kurzen, schwarzen Haaren und schmalem Gesicht, die ein wenig mürrisch dreinschaute und die Gummileiste, die die Dahme vor Stößen schützte, mit der rechten Hand hielt, als wäre das etwas ziemlich Ekliges. Die Frau dahinter war dunkelblond – und, wie ich verblüfft feststellte, das – wenigstens dem Gesicht und dem unfassbar wohlgeformten Hals nach zu urteilen – schönste Wesen, das ich seit Jahren gesehen hatte. Sie lächelte abwesend, schien ihre Umgebung nicht direkt wahrzunehmen, sondern einfach darin zu versinken. Sie hatte etwas Feenhaftes, Verzaubertes, aber nicht auf esoterische Weise, sondern irgendwie – anerkennend. Ihr Lächeln schien der Natur zu gelten, der Situation, der Tatsache, dass sie das Glück hatte, all dies jetzt in diesem Augenblick zu erleben, und dem Leben an und für sich. Davon abgesehen war diese Frau einfach unglaublich schön – und genau in diesem Moment, als ich sie verzückt anstarrte, sah sie zu mir herüber. Sie lächelte weiter, fixierte mich und nickte dabei langsam. Ich wollte etwas sagen (das sie nicht hören würde, denn die Seitenfenster waren verschlossen) und konnte doch nur an Curt und den weißen Thunderbird denken. Die Schleuse nahm ihren Betrieb auf, die Boote begannen sich zu heben, das Kanu der beiden Frauen trieb etwas nach vorne. Ich ging zum linken Fenster, das Bötchen kehrte zurück, die Dunkelblonde verdrehte ihren Kopf in meine Richtung. Von ihrem Körper war nicht viel zu sehen, aber das wenige sah mehr als okay aus, und sie lächelte mich immer noch an. Hatte sie nicht sogar den Kopf verdreht, um zu mir blicken zu können? Gut möglich. Ich dachte darüber nach, wie ich aussah. Geduscht hatte ich noch nicht, aber olfaktorische Wahrnehmung war ohnehin ausgeschlossen. Meine kurzen, fast schwarzen Haare sahen auch ohne Wäsche nach drei, vier Tagen noch annehmbar aus. Aber ob sie meine dunklen, irritierenden Augen (sagte Cora) aus dieser Entfernung wahrnehmen konnte? Meine markanten Gesichtszüge?
    »Motor an!«, rief Mark von hinten, das Ausfahrtsignal war auf Grün gewechselt. Ich ging zum Steuer, ließ die dunkelblondeFee aber nicht aus den Augen, wie auch sie mich nicht, meinte ich jedenfalls. Ich startete den Motor und wünschte mich in ein rotes Kanu. Die Schleusentore öffneten sich, die Kanus, die neben den Booten vor uns lagen, wurden herausgepaddelt. Und auch die mürrische Schwarze und ihre Freundin stießen sich ab, die Dunkelblonde sah mich nach wie vor an, nahm ihr Paddel mit selbstverständlicher Geste, lächelte – und dann formte sie einen Kussmund. Eindeutig einen Kussmund! Ich war wie von einer Sekunde auf die andere völlig in Trance, glaubte kurz, Gegenstand eines perfiden Versteckte-Kamera-Scherzes zu sein, musste mich dann aber auf die Ausfahrt konzentrieren. Das Schiff glitt hinter den anderen aus der Kammer, touchierte nur kurz links einen Metallpfeiler, und dann passierten wir die Kanu-Armada, die sich am rechten Ufer zusammengerottet hatte und darauf wartete, dass die Motorschiffe vorbeizogen. Ich verdrehte meinen Kopf, konnte die Dunkelblonde aber nicht entdecken.
    »Was ist los?«, brüllte Mark von hinten. »Motor kaputt? Gib endlich Gas!«
    Ich schob den Hebel widerwillig nach vorne, bis der Drehzahlmesser 8 km/h anzeigte, sah dann aber weiter nach hinten. Ein schlanker Arm schien sich aus dem Kanupulk

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