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Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Titel: Leichtmatrosen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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verzweifelte Blicke in meine und in Simons Richtung.
    »Wie meinen Sie das?«
    Kürzere Pause. Nicken.
    »Sind Sie sicher?«
    Sehr kurze Pause.
    »Nein, kurz über der Dreitausend. Hundertprozentig.«
    Lange Pause. Nicken, der Anflug eines Lächelns.
    »Doch. Ich habe danebengestanden.«
    Kurze Pause.
    »Werden wir tun. Sicher. Ja. Okay, danke.«
    Er beendete das Gespräch. »Der Charterstützpunkt. Sie meinten, die Dahme wäre ziemlich schnell gefahren. Zu schnell.«
    Simon grinste.
    »Wir sollen uns melden, wenn etwas mit dem Motor nicht stimmt«, sagte Henner.
    »Warum hast du diesen Klingelton?«, fragte ich und versuchte, die Frage freundlich klingen zu lassen. Seltsamerweise verspürte ich einen Anflug von Eifersucht.
    Der Pfarrer sah mich konsterniert an, schien keine Ahnung zu haben, was das für eine Rolle spielte. »Warum fragst du? Ist ein gutes Lied. Ich mag es. Kennst du es?«
    Jetzt war ich verunsichert. Gut möglich, dass ich während der kurzen Gespräche vor oder nach dem Federball nie erwähnt hatte, eine Beziehung mit einer Popmusikerin zu haben. Trotzdem war es ein ordentlicher Zufall, dass Henner dieses Stück sogar als Klingelton verwendete, denn die Fanbasis von Ugly Carpet war überschaubar; die Massen hatten den Jahre zurückliegenden kleinen Hit längst vergessen, obwohl er immer noch hin und wieder auf Engtanz-Samplern veröffentlicht wurde, Coras Band spielte entweder Support oder wie derzeit in kleinen Provinzclubs. Ich zuckte die Schultern und kehrte zur Heckterrasse zurück, wo es Schatten gab,weil das Bootsdach darüber hinwegragte. Es war inzwischen sehr warm, fast heiß. Selbst in der Badehose schwitzte ich leicht, aber unser Pfarrer trug immer noch die Seglermontur.

    Wir durchfuhren auf dem hier ziemlich breiten Fluss das Städtchen Fürstenberg, kamen an mehreren Liegeplätzen, einer Werft, sogar Abzweigungen vorbei, bis Henner den Warteplatz für die Schleuse sichtete, der durch gelb-schwarze Metallpfähle markiert wurde. Nur ein Boot lag dort, ein Schwesterschiff der Dahme , allerdings etwas kürzer. Im Gegensatz zu unserem verfügte dieses Boot aber im hinteren Bereich über einen offenen Steuerstand in Dachhöhe, eine Flying Bridge , wie ich beim Proviantverstauen aufgeschnappt hatte. Dort stand ein Endvierziger mit Schnauzbart, der eine zu knappe, den Bauch unglücklich betonende Badehose und eine ähnliche Mütze wie Henner trug, und stolz wie Bolle seine Mannschaft befehligte – zwei geschätzt vierzehnjährige, dürre, rothaarige, offenkundig schwerst genervte und gelangweilte Mädchen, die vorne und hinten die Leinen hielten, und eine dickliche Frau in einer Art Hauskleid, die vorne auf dem Schiff stand und diesen merkwürdigen Besenstiel hielt, der auch auf dem Deck der Dahme lag. Als Simon den Kahn äußerst sanft direkt hinter dessen Schiff zum Stehen brachte, tippte sich der Mann grinsend an die Mütze. Simon winkte und rief »Ahoi!«
    »Wir sind gerade losgefahren«, teilte der Mann mit.
    »Wir nicht«, antwortete Mark, der die vordere Leine hielt.
    »Ganz schön aufregend«, sagte der Badehosenträger.
    »Aber hallo«, gab Mark zurück.
    Und dann geschah eine ganze Weile lang nichts. Hinter uns trafen die Boote ein, die wir überholt hatten, aber das Signal der Schleuse zeigte stoisch rot.
    Irgendwann – nach fast einer halben Stunde – brüllte jemand von hinten: »Hat einer Signal gegeben? Das ist eine Automatikschleuse!«
    Captain Flying Bridge sah sich verunsichert um.
    »Signal?«, rief er zurück. Dann sah er suchend zum Ufer – eine Digitalanzeige, die eigentlich kaum zu übersehen war, sprach tatsächlich von einer Signalanforderung. Und dann hupte der Mann. Etwa eine Minute lang, ein etwas quälendes, nicht sehr überzeugendes Geräusch. Mark befestigte seine Leine und sprang auf die Gitterkonstruktion jenseits der Pfähle, schlenderte am Boot des Signalgebers vorbei und ging zu einem ebenfalls kaum übersehbaren, länglichen Metallkasten. Dort zog er an einem grünen Hebel. Beinahe augenblicklich blinkten gelbe Rundumlichter auf dem Schleusentor, das sich kurz darauf langsam zu öffnen begann.
    »Automatikschleuse«, sagte er grinsend, als er wieder an Bord sprang. »Spannend.«
    Die Schleuse war offenbar recht neu. Als wir, dem Huper dicht auf den Fersen, in die Kammer einfuhren, bemerkten wir, dass sie außerdem ziemlich breit war – und dass sich Einund Ausfahrt nicht einander gegenüber befanden, sondern um eine komplette Torbreite versetzt waren:

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