Leichtmatrosen: Roman (German Edition)
aus dem Sortiment von Meggs & Pollend , die ich vorfand, an prominentere Stellen verschob, um anschließend zwei Wolf-Haas-Krimis, die ich noch nicht kannte, und ein Lehrbuch »Sportbootführerschein Binnen« zu kaufen. Henner schenkte dem Jungen Tolkiens »Der kleine Hobbit«, worüber sich Finn-Lukas außerordentlich zu freuen schien. Mark ging an die Kasse und fragte vernehmlich:»Haben Sie Erotik? Mit Bildern und allem drum und dran?«
Die junge Frau errötete und schüttelte dann den Kopf.
»War auch nur ein Scherz«, sagte Mark.
Wir wanderten umher, sahen einen Spielplatz, für den sich der kleine Rekordschwimmer aber nicht interessierte, und ich entdeckte kurz darauf eine Straße namens »Weg der Solidarität« – es war eine Sackgasse. Wir gingen bis zur Schleuse, standen eine Weile auf der Brücke und sahen einem Ausflugsdampfer und einem halben Dutzend Hausbooten bei ihren Schleusungen zu – ein ganz anderes Erlebnis aus dieser Perspektive –, während Hendrik zu erklären versuchte, wie der Mechanismus funktioniert, was bis auf die Sache mit der Pumpe auch halbwegs hinkam. Ich sah wieder auf die Uhr – erst kurz vor acht.
»Die Schleuse wird bald schließen«, erklärte Henner in diesem Moment.
»Und was machen dann Boote, die zu spät kommen?«, wollte Finn-Lukas wissen.
Henner hob eine Augenbraue. »Ich vermute, sie müssen umkehren – oder bis zum Morgen warten. Dort.« Er wies zur Wartestelle. Der Junge nickte, die kannte er schließlich schon.
Und dann kamen sie in Sicht, energisch paddelnd, aus einem der vorderen Boote brüllte jemand Kommandos – rote Kanus, dunkelrote Kanus, etwa zwanzig davon, in loser Anordnung an der Wartestelle eintreffend. Ich wünschte mir den winzigen Bord-Feldstecher herbei, lehnte mich gegen die Brüstung, suchte nach kurzen, schwarzen und längeren, dunkelblonden Haaren, sah aber nur jede Menge Basecaps, Strohhüte, diese Kameltreiber-Kappen, verknotete Taschentücher, einen Sombrero, zwei Cowboyhüte und sogar Leute mit Südwestern. Die Flotte hielt, das von den kraftvoll geschwungenen Paddeln aufgewühlte Wasser beruhigte sich.Ein paar Nachzügler trafen ein, aber auch mit Sonnenschutz ausgestattet. Klar, es kam Selbstmord gleich, den ganzen Tag übers Wasser zu rudern und die Bonje dem gleißenden Stern auszusetzen. Aber – wenigstens jetzt. Bitte! Doch nichts dergleichen geschah, niemand nahm die Kopfbedeckung ab. Die Kanuten fixierten die Anzeigen der Schleuse, die ich von unserer Position aus nicht sehen konnte, und ignorierten uns auf der Brücke. Ich überlegte, ob ich etwas rufen sollte (»Ist eine Dunkelblonde bei euch? Eine, die mal in der Schleuse einen drahtigen Mann mit fast schwarzen Haaren angelächelt hat?«), hielt das aber letztlich für keine sinnstiftende Idee.
Die Schleuse öffnete sich, die Kanuten fuhren ein, direkt unter uns hindurch, wodurch man natürlich noch weniger sehen konnte. Verdammt. Es gab keinen Weg nach unten und sowieso nicht in den unmittelbaren Schleusenbereich. Ich sah, leicht verzweifelt, zu Mark und Henner, die mir und meiner nervösen Zappelei aber keinerlei Aufmerksamkeit schenkten.
»Ich würde auch lieber so ein Kanu fahren, allein«, sagte Finn-Lukas. »Mit meinem Papa auf dem Boot habe ich Angst.«
»Musst du nicht mehr«, erwiderte ich, mich zur Lässigkeit zwingend. »Unser Simon hat ihm das Fahren beigebracht.«
Er sah mich kurz an, mit einem Blick, der »euer Simon ist aber morgen nicht mehr dabei« besagte, zwinkerte dann und beobachtete wieder die Schleusung.
»Wir könnten ihn adoptieren«, schlug Mark vor. »Oder einfach entführen. Als Schiffsjungen.«
In Finn-Lukas’ Gesicht entflammte ein Lächeln. »Ginge das?«
Henner streichelte ihm sanft den Kopf: »Nicht wirklich.«
Nach ein paar Minuten fuhren die Paddler aus, in die Richtung, in der auch unser Boot lag, was vielleicht zur Folge hätte, dass sie im Stadthafen auftauchten.
Taten sie aber nicht , jedenfalls bis wir das Hafengelände – letztlich eine Wiese – erreichten. Dafür trafen wir auf Simon, der soeben von den Duschen kam (ein Euro, warmes Wasser fünfzig Cent extra – oder so), um die Hüfte des ansonsten nackten Körpers eines der recht unzeitgemäß gemusterten Handtücher aus dem Schiffsbestand gebunden, im Mundwinkel hing eine glimmende Zigarette. Er grinste, wirkte frisch, aber auch zufrieden, nachgerade entspannt.
»Du hast gefickt«, platzte Mark heraus, womit er sagte, was ich schon seit diesem eigenartigen
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