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Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Titel: Leichtmatrosen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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Besatzung hinter uns gehupt?
    Meine Kameraden belegten die Stangen, ich schaltete den Motor ab, entledigte mich – bis auf die Badehose – ebenfalls meiner Kleidung und ging nach draußen, kletterte mühevoll eine kurze, aber äußerst glitschige Leiter hoch an Land. Der unfassbare Wassermengen herabschleudernde Regen war kühl, aber alles andere als erfrischend. Es war, als wäre man gefesselt, während fiese Jungs unaufhörlich mit einem Gartenschlauch, aus dem das kalte Wasser mit hohem Druck kommt, auf einen einspritzen – selbst, wenn man überhitzt ist, hört das schon bald auf, Spaß zu machen. Ich sah kaum etwas, war in Sekundenbruchteilen nass und ausgekühlt, fand aber doch die elektronische Schleusenanzeige. »Schleuse vorübergehend außer Betrieb«, stand da. Und dann stand da noch plötzlich ein Mann in Ölkleidung, obwohl es sich um eine Automatikschleuse ohne Personal – dafür mit Videoüberwachung – handelte und das Gebiet umzäunt war. Ich zwinkerte und versuchte, mich an die Herfahrt zu erinnern. Hatte es hier eine Art Häuschen auf dem Gelände gegeben?
    »Seit ihr von allen guten Geistern verlassen?«, fragte er laut, mit bösem Unterton, griff nach meiner Schulter und versuchte, mich zu schütteln. Reflexartig fegte ich seine Hand weg. Die Tatsache, dass er eingekleidet und ich so gut wie nackt war, verstärkte das unangenehme Gefühl der Belästigung.
    »Das Signal …«
    »Das Signal war rot. Die Sicht beträgt weniger als zehn Meter. Niemand darf da fahren. Erst recht nicht in eine Schleuse. Die sich hätte schließen können, während ihr Schlauberger gerade durchs Tor fahrt.«
    »Wer sind Sie überhaupt?« Ich konnte sein Gesicht kaum erkennen, außerdem lief mir bächeweise Wasser über denSchädel, und langsam wurde es wirklich kalt. Ich kämpfte dagegen an, loszuzittern.
    Der Mann zog etwas aus der Gesäßtasche, ein laminiertes Kärtchen, auf dem irgendwas mit »Wasser- und Schifffahrtsamt« stand, aber ich konnte es nicht wirklich entziffern.
    »Es ist nichts passiert«, sagte ich schwach und starrte auf die Karte. Amt . Schlimmer als Polizei. In Gedanken zählte ich auf: Kraftverkehrsamt, Kreiswehrersatzamt, Finanzamt .
    »Es hätte etwas passieren können. Eine Menge.«
    »Als wir abgelegt haben, war noch gute Sicht«, behauptete ich und kämpfte mir ein bestätigendes Lächeln ins Gesicht, das mein Gegenüber vermutlich nicht einmal richtig sehen konnte.
    Der Mann lachte rau. Jemand legte mir die Hand auf die Schulter. Henner. Ich war froh, hoffte aber sofort, dass er wenigstens daran gedacht hatte, die Heckleine an Finn-Lukas weiterzugeben. Dem Kind, das durch Heckleinen traumatisiert war.
    »Gibt es ein Problem?«
    »Sie hätten nicht einfahren dürfen. Sie hätten überhaupt nicht fahren dürfen.«
    »Als wir abgelegt haben, war noch gute Sicht«, wiederholte Henner wortwörtlich meine Lüge, die er nicht gehört haben konnte. »Das Signal stand auf Grün. Als der Regen dann plötzlich anfing, mussten wir entscheiden, in den nachrückenden Verkehr zu wenden oder einzufahren. Einfahren erschien uns sicherer. Er hielt kurz inne. »Was hätten Sie getan?«
    Darauf wusste der Mann keine Antwort, die uns diskreditiert hätte, aber das Wetter antwortete für ihn. So schlagartig, wie er begonnen hatte, hörte der Regen auf. Wie eine Wand von merkwürdig transparenter Konsistenz zog er weg von uns – ich konnte ihm tatsächlich hinterherschauen, wie er nach und nach den Blick auf die Wälder freigab. Es nieselte noch, blitzte zweimal kurz nacheinander, aber der dazugehörigeDonner brauchte fast fünf Sekunden, bis uns seine Schallwelle erreichte.
    »Macht, dass ihr hier wegkommt«, sagte der Mann und wollte sich umdrehen.
    »Sie haben kein Recht, so mit uns zu reden«, antwortete Henner.
    »Ich habe hier jedes Recht, ihr Charterheinis.«
    »Haben Sie nicht.«
    In diesem Moment fiel der Blick des Mannes auf etwas hinter uns. Wir drehten uns um. Der splitterfasernackte Mark war ebenfalls an Land geklettert, winkte und rief fröhlich: »Geht es hier irgendwann auch mal weiter?«
    Der Beamte schaute kurz ziemlich irritiert, dann etwas angewidert, zuckte die Schultern – und verschwand in dem kleinen Gebäude, nicht weit von uns entfernt.
    »Du hast uns gerettet. Dieses Mal wären wir das Schiff los gewesen«, sagte ich zu Henner.
    Er grinste. »Ich habe gehört, was du gesagt hast, konnte euch aber noch nicht sehen. Und dann habe ich’s einfach wiederholt. Wir hatten Glück, der

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