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Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Titel: Leichtmatrosen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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von Berlin ein riesiges Gehöft gekauft hatte, um dort den verfrühten Ruhestand anzutreten. Simon versprach viel und leistete ein bisschen, kassierte mehrere zehntausend als Vorschuss für Materialeinkäufe – und verschwand von der albanischen Bildfläche. Das Geld war schneller weg als eingestrichen. Simon zahlte die wichtigsten Gläubiger aus, kaufte sich ein neues Täubchen – den zehn Jahre alten Bulli – und hoffte darauf, dass ihn der Albaner nicht finden würde.

    »Ich hasse meine Arbeit«, sagt er mit großem Nachdruck und zündete sich eine weitere Kippe an. »Ich hasse mein Leben. Ich hasse mich.«
    »Feinkörnig«, murmelte Mark.
    »Warum sagst du diesen Schwachsinn andauernd?«, fragte ich.
    Mark sah mich irritiert an. »Was?«
    »Dieses blöde feinkörnig .«
    »Oh.« Er grinste. »Ich will ein Modewort kreieren. Wie cool, hip, posh, lässig, suboptimal. Und irgendwann sagen können: Das war von mir.«
    »Und du meinst, feinkörnig hat dieses Potential?«
    Er zog die Augenbrauen zusammen. »Mir ist kein besseres eingefallen.«
    »Danach hört es sich auch an.«
    »Vorschläge sind willkommen«, sagte Mark lächelnd und nahm die beiden PVC-Folien. »Jetzt wird die Tusse getauft.«
    Es sah ziemlich echt aus, die ausgeschnittenen Folien passten exakt auf den Untergrund. Mark grinste stolz, als wir auf dem Steg standen und sein Werk bewunderten.
    »Ich taufe dich, alte Dahme , auf den neuen Namen Tusse «, erklärte er. Weil es keinen Sekt und offenbar auch sonst nichts Alkoholisches mehr an Bord gab, kippte er etwas Kaffee aus seinem Topf gegen den Bug.
    »Feinkörnig«, sagte ich und grinste ihn an. Dann applaudierten wir.

    Wir bezahlten den Aufenthalt bei einem Mann, der sich letztlich wenig dafür interessierte, und legten ab. In der schmalen Fahrrinne des Zierker Sees, die wir um keinen Zentimeter verließen, erprobten wir die Steuerfähigkeit der lädierten Tusse . Beim Rückwärtsfahren schien sie noch etwas stärker nach links zu ziehen als vorher, ansonsten ging es erstaunlich gut.
    »Keine Werft«, sagte Henner.
    »Keine Werft«, wiederholten wir anderen drei. Also nahmen wir Kurs auf die Ausfahrt.
    Es gab nur eine Richtung, nach Süden, zunächst einmal zurück nach Priepert. Gute anderthalb Stunden, Schleusen nicht mitgerechnet. Der Stern brannte, wir schlüpften in Badehosen, Mark übernahm das Steuer, Henner schmierte seinen ganzen Körper dick ein, was ihn ästhetisch nicht unbedingt aufwertete, und warf sich auf dem Vorschiff in die Sonne, mit dem »Hitchens« in den Händen, ohne Schutzumschlag. Simon und ich nahmen auf der Bank am Bug Platz, tranken Kaffee und blinzelten hinter den Sonnenbrillen. Ich rauchte aus Geselligkeit eine mit, schwieg aber, weil ich nicht wusste, was ich zu ihm sagen sollte. Meine Schwierigkeiten oder Nichtmehrschwierigkeiten mit Cora kamen mir so belanglos, so nichtig, beinahe behaglich vor. Hinter mir lag ein Pfarrer, der nicht mehr an Gott glaubte, eine lieblose Ehe undein Doppelleben führte, das auf einer Lüge basierte. Neben mir saß jemand, der sein eigenes Leben aus Selbsthass vernichtet hatte. Am Steuer stand einer, der mit Mitte dreißig, wenn meine Schätzung stimmte, noch meinte, eine Form von Anerkennung zu benötigen, die andere mit Anfang zwanzig hinter sich gelassen haben. Und mein Problem bestand lediglich darin, dass ich mit einer wunderbaren Frau zusammen war – oder zusammen gewesen war –, die mich so sehr liebte, dass sie sich mindestens ein Kind mit mir wünschte. Eigentlich hätte ich aufspringen und das Leben lobpreisen müssen. Aber mir war definitiv nicht danach. Schließlich hatte ich diese Frau vor anderthalb Tagen mit sechs polnischen Nutten betrogen. Und ein Kind wollte ich immer noch nicht.

    Wir passierten die erste Schleuse. Auf dem Woblitzsee, an dem Wesenberg lag, nahm der Verkehr deutlich zu – haufenweise Hausboote, aber auch Segler, kleinere Motorboote und Massen von Kanus. Ich grübelte kurz, bekam aber nicht heraus, welchen Wochentag wir hatten. Oder welchen Tag der Tour. Aber ich war auch zu faul, mein Telefon zu holen – oder jemanden zu fragen. Simon schien neben mir zu schlafen, jedenfalls saß er regungslos da, leicht zurückgelehnt – und rauchte nicht , was das deutlichste Indiz war. Auch Henner hatte das Buch beiseitegelegt und die Augen geschlossen. Mark stand am Steuer, Sonnenbrille im Gesicht und Basecap auf dem Kopf, grinste und nickte in einem Rhythmus, den nur er vernahm. Ich ging zu ihm.
    »Wir

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