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Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Titel: Leichtmatrosen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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Linoleumboden geworfen. Unvorstellbar, dass dieser Laden jemals von drei Kunden zugleich aufgesucht wurde, zumal das Angebot ohnehin bestenfalls für zwei ausgereicht hätte.
    »Abseits der Touristenrouten«, sagte Simon draußen.
    »Ich muss dringend Geld holen«, antwortete ich.

    Die Marina wirkte im gleißenden Sonnenlicht und ouzofrei noch abgerissener als zwei Tage zuvor. Der Bereich rechts vom Steg, wo offenbar die Ruinen einer älteren Steganlage aus dem Wasser ragten, wurde von Hunderten Möwen belagert, die »Findet Nemo«-mäßig »Meins! Meins! Meins!« zu krähen schienen. Im Hintergrund lag ein abgewracktes Frachtschiff.
    Als wir auf unser Boot zukamen, das uns den Bug zeigte, war gut zu erkennen, dass die nächtliche Tour noch einige andere Blessuren als nur ein verbogenes, teilamputiertes Ruder hinterlassen hatte. Zwei Fender fehlten, die Reling an der Backbordseite wies einen energischen Knick auf, und der weiße, kunststoffbeschichtete Rumpf hatte zwei lange, dunkleStriemen direkt über der Wasserlinie, die wirklich unschön aussahen.
    Simon musterte die Schäden.
    »Immerhin sind wir nicht noch Wasserski gefahren, obwohl Mark es unbedingt versuchen wollte, auf der Tischplatte«, sagte er.
    »Du erinnerst dich?«, staunte ich.
    Er nickte. »Halbwegs. Nachdem die Täub … äh … Frauen von Bord sind, sind wir noch ein paar Runden mit vollem Karacho über den Teich gerauscht, haben Seemannslieder gegrölt und mit leeren Flaschen nach Haien geworfen. Irgendwann haben wir kurz angelegt, ich bin runter und wollte, glaube ich, noch Nachschub organisieren. Ihr seid mit Vollgas rückwärts los. Mehr weiß ich auch nicht. Bin dann in der Wache wieder zu mir gekommen, am Nachmittag.«
    Die anderen begrüßten Simon herzlich, ich setzte Kaffee auf, und wir machten es uns in der Sonne auf der Heckterrasse gemütlich, bis auf Mark, der im Salon irgendwas bastelte – Simon rauchte die Letzte aus der Schachtel, die ich ihm vor einer knappen Dreiviertelstunde überreicht hatte.
    »Okay, Simon, wie viel schuldest du den Russen?«, fragte Henner plötzlich.
    »Es sind Albaner«, antwortete Simon und sah aufs Wasser. »Dreißigtausend. Plus Zinsen. Also vierzig.«
    »Wow«, sagte ich.
    Simon nickte, ein mimisches Wow.
    »Und sonst?«, hakte Henner nach.
    »Keine Ahnung. Ein paar Tausender hier und da. Vielleicht zehn insgesamt, können auch zwanzig sein. Steuer nicht mitgerechnet. Irgendwie suchen sie mich wohl, es kann sogar sein, dass es einen Haftbefehl gibt.«
    »Haftbefehl«, wiederholte Mark, der soeben die Terrasse betreten hatte. Er legte zwei weiße PVC-Folien auf den Tisch, die genau Form und Größe der Dahme -Namensschilder amBug hatten. Ziemlich kunstvoll hatte er, wohl mit wasserfestem Edding, den Schriftzug Tusse darauf gezeichnet.
    »Es wird Zeit, dass wir das Boot umtaufen«, erklärte er.
    »Erst will ich wissen, wie das passieren konnte«, sagte Henner, lächelte aber in Richtung der Schilder.
    »Was?«, fragte Mark.
    »Das mit Simon.«

    Simon wurde Anfang der Sechziger als drittes Kind von Edith und Norbert Radler geboren, aber die beiden Schwestern, zwei Jahre ältere Zwillinge – Christine und Christina –, die stark sehbehindert zur Welt gekommen waren, vereinnahmten die Familie so stark, dass Simon früh allein zurechtkommen musste. Der Vater besaß eine kleine Firma, die allerlei Dienstleistungen rund um den Innenausbau anbot, vom simplen Tapezieren bis zum Dachstuhlausbau, und schubberte werktags wie an Wochenenden von fünf Uhr früh bis spät in die Nacht. Der Ein-Mann-Laden lief gut genug, um der Familie das Überleben zu sichern, gar die teuren Hilfsmittel und Maßnahmen zu finanzieren, die die Zwillinge benötigten, aber jedes Mal, wenn Norbert Radler krankheitsbedingt für ein paar Tage ausfiel, kriselte es, und Urlaub gab es nie – Ferien verbrachten die Radlers auf Balkonien, im Tiergarten und am Wannsee, meistens in Abwesenheit des Vaters. Simon bekam von der fragilen finanziellen Situation zunächst nicht viel mit, erarbeitete sich ohne familiäre Unterstützung eine Gymnasialempfehlung, gelangte problemlos bis in die Mittelstufe und entdeckte kurz vor der Einführungsphase die Schauspielerei für sich. Er las alle Dramen von Brecht bis Shakespeare, gründete eine Theater-AG und spielte umjubelte Hauptrollen, jedes Mal ohne seine Eltern im Publikum, die dafür einfach keine Zeit hatten oder haben wollten; Simons Schauspielerei war ein Luxus, der sich gegen das Baugeschäft

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