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Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Leichtmatrosen: Roman (German Edition)

Titel: Leichtmatrosen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Liehr
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könnten in Wesenberg anlegen und dort zu Mittag essen«, schlug ich vor.
    »Da waren wir schon. Die anderen schlafen. Fahren wir weiter.«
    »Es kommen noch Schleusen.«
    »Das kriegen wir zu zweit hin.«
    Simon lag ausgestreckt auf der Bank, als wir die SchleuseWesenberg erreichten. Henner schnarchte laut und seltsam keuchend. Ich hielt das Boot am Bug, Mark zog das Heck an die Schleusenkammerwand und turnte dann nach hinten, um das Schiff dort zu fixieren. Perfekt, als hätten wir nie etwas anderes getan. Bis Priepert käme keine Schleuse mehr, also holte ich mein Mobiltelefon und setzte mich auf die Terrasse. Nachdem ich es eingeschaltet hatte, zeigte es fünfzig Kurznachrichten an. Neunundvierzig stammten von Cora. Die letzte verursachte mir eine Gänsehaut – sie war anderthalb Tage alt.

    Du hast mich mit der wichtigsten Entscheidung meines Lebens allein gelassen. Ich weiß nicht, ob ich Dich noch lieben kann. Oder will. C.

    Ich war kurz versucht, auf die Nummer zu tippen und sie einfach anzurufen. Weil ich mich dazu nicht in der Lage fühlte, erwog ich, mit einer Nachricht zu antworten. Aber auch das brachte ich nicht über mich. Wichtige Entscheidung? Welche? Mich zu verlassen und mit ihrem verdammten Bassisten eine Familie zu gründen? Ins Allgäu zu ziehen?
    Die fünfzigste Kurznachricht war ebenfalls eine echte Überraschung – als Absender zeigte mir das Telefon Rosa an, Coras Mutter. Es erstaunte mich, dass ich ihre Nummer überhaupt im Speicher hatte. Die Mitteilung lautete schlicht:

    Ruf mich an, dringend. Es ist sehr wichtig.

    Da stutzte ich ganz erheblich. Wenn Rosa mit Ameisenpopelhausen Kontakt aufnahm, musste wirklich was im Busch sein. War der Bassist aus ihrer Sicht möglicherweise ein noch größerer Idiot, eine noch niedere Lebensform als ich? Der Reiz, Frau Beinaheschwiegermutter anzurufen, war nicht gerade klein. Er wäre größer gewesen, hätte sie es über sich gebracht,das kleine Wörtchen »bitte« im Text unterzubringen. So glitt er gerade noch unter meiner Entscheidungsschwelle durch. Ich schaltete das blöde Telefon wieder aus und kletterte unter Deck, um in der Gluthitze, die in der Kabine herrschte, ein Nickerchen zu versuchen. Aber es gelang mir nicht. Ständig sah ich die Bilder unseres Partyabends vor mir. Fragte mich ergebnislos, woher Henner Cora kannte. Und was ich an Simons Stelle täte. Auch ohne Antwort.

    Als wir Priepert erreichten, war es kurz vor eins. Henner und Simon erwachten gleichzeitig, streckten sich, Simon zündete sich blinzelnd eine Zigarette an. Wir passierten den Jachthafen erst und beschlossen dann, dort anzulegen, denn er verfügte offenbar über ein Restaurant. Außerdem müssten wir Proviant nachfassen. Und das Lämpchen für den Fäkalientank zeigte ein flackerndes Rot. Keine Ahnung, was der inzwischen alles enthielt, aber ich wollte es eigentlich auch nicht wissen. Ein abgebrühter forensischer Serologe hätte mit dem Inhalt sicher seinen Spaß gehabt.
    Die Steganlage des Hafens war dicht besetzt und wies eine etwas vertrackte Anordnung auf – es war eng, beinahe zu eng für die Tusse , und als wir schließlich nach zehn Minuten erfolgloser Platzsuche ungefähr in der Mitte zwischen den zwei Hauptstegen auf das Ufer zuhielten, da es dort nach Freiraum aussah, brüllte plötzlich jemand: »Anhalten! Sofort anhalten! Hier wird es flach!« Vor uns, wo die Stege in eine Wiese übergingen, stand eine Frau in khakifarbenen Shorts und winkte hektisch. Mark winkte zurück und schrie: »Wir lieben flaches Wasser!«
    Trotzdem stoppte er auf.
    »Legt erstmal bei der Abpumpanlage an!«, befahl sie.
    Das taten wir, obwohl es nicht ganz einfach war. Rückwärts ließ sich der Kahn mit dem lädierten Ruder tatsächlich noch schlechter manövrieren als vorher. Henner und Simon standenam Heck, Simon hantierte mit dem Bootshaken, Henner hielt sich mit einer Hand fest und lehnte sich weit über die Reling, um uns mit der anderen von Schiffen abzustoßen, mit denen wir beinahe kollidierten. Ich stand auf dem Vorschiff und gab Kommandos, Mark ließ unaufhörlich das Bugstrahlruder röhren. Als wir schließlich die Einfahrt erreichten, wo sich die Pumpanlage befand, und gemächlich auf den Steg zutrieben, applaudierten ein paar Leute. Mark betätigte das Signalhorn. Relativ üble Gerüche wehten herüber, und ich hoffte, dass dieser Platz nur vorübergehend uns gehörte. Simon und Mark übernahmen es, die Frischwassertanks aufzufüllen und die anderen

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