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Leiden sollst du

Leiden sollst du

Titel: Leiden sollst du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Wulff
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anzunähern, doch bis sie wieder zusammengewachsen waren, würde es dauern.
    Weiterhin gingen Heide und Hans-Joachim zur Eheberatung. Weiterhin arbeitete Maries Tante daran, keine Glucke mehr zu sein, was mehr Aufmerksamkeit für ihren Mann und weniger für Ben bedeutete, dafür legte Hajo keine Geschäftstermine mehr in die Abendstunden, es sei denn, es ging nicht anders. Weiterhin wohnten sie bei Irene und Rainer Bast, in einer Villa, in der es selbst im Hochsommer kalt wie in einem Eisschrank war.
    „Es ist wirklich besser, wenn Ben noch etwas bei uns bleibt“, sagte Marie im Brustton der Überzeugung. „Mindestens bis Heide und Hajo eine neue Wohnung gefunden haben.“
    Eine Gruppe von um die zwanzig Personen mit einem Mann von der Größe eines Basketballspielers an der Spitze, der ein Schild an einer Stange hochhielt, auf dem „Bitte folgen“ stand, ging laut palavernd vorüber und begaffte die Liebesschlösser wie eine Touristenattraktion.
    Während die Frauen und Männer an ihnen vorbeizogen wie ein Schwarm schnatternder Gänse, öffnete Daniel den Reißverschluss seiner Armlehnentasche, entnahm ihr jedoch nichts. Das erinnerte Marie unangenehm an ihre zweite und letzte Begegnung mit Markus Kranich in der Tanzschule.
    Alarmiert schaute sie sich um und drückte sich enger an das Geländer, um mehr Abstand zwischen sich und die Horde zu bringen. Aber nichts geschah. Die Menschen zogen weiter. Das Horn eines Rheinschiffes löste das Schwatzen ab.
    „Ich habe es geschafft.“ In einer gespielt arroganten Geste benässte Daniel die Kuppe seines kleinen Fingers und strich damit über seine Braue.
    Marie schaute einer Möwe hinterher, bis sie so hoch flog, dass sie sie nicht mehr sehen konnte. „Was meinst du?“
    „Ich darf wieder nach Hause.“ Während er Anführungsstriche in die Luft malte, um seine letzten beiden Worte zu relativieren, strahlte er übers ganze Gesicht. „Wenn auch aufgrund des Hamburger Modells während der Wiedereingliederungsphase vorerst nur stundenweise.“
    „Ins Kriminalkommissariat 11?“
    „Über eine Hintertür“, flüsterte er unnötigerweise und zuckte mit den Achseln. „Offiziell werde ich aufgrund der Rechtslage als externer Berater bei schwierigen Fällen hinzugezogen.“
    „Weil ein Rollstuhlfahrer nun mal nicht bei der Mordkommission ermitteln darf.“
    „Das ist leider in Stein gemeißelt. Aber Steine sind keine Berge, man kann sie umfahren.“
    Sie stützte sich mit beiden Händen hinter ihrem Rücken auf dem Geländer ab und sah auf Daniel hinunter. „Besonders wenn jemand so geschickt mit seinem Popo-Ferrari umgehen kann.“
    „Ich hätte den Begriff nicht erwähnen sollen.“ Murrend kraulte er seinen Henri-Quatre-Bart, doch seine Augen lächelten.
    Die Brise bauschte ihren beigefarbenen Trenchcoat auf. Ein letztes Mal kam ein Hauch von Sommerfeeling in ihr auf, bevor der lange Winter begann. Sie war so gut gelaunt wie schon lange nicht mehr. Es kümmerte sie nicht einmal, dass ihre Eltern sie zu einem Versöhnungsdinner eingeladen hatten, aber Daniel noch nicht bereit dazu war. Dafür hatte sie Verständnis. Sie würde ihm so viel Zeit geben, wie er brauchte. Ihre Mutter und ihr Vater konnten ruhig noch ein wenig an ihrem schlechten Gewissen zu knabbern haben. Die beiden hatten es verdient! „Rallyefahrzeug mit integriertem Rammbock, gefällt dir das besser? Du brauchst einen Waffenschein für deinen fahrbaren Untersatz.“
    „Lass das ja nicht den Leiter der Direktion Kriminalität hören. Christian Voigt würde das sofort aufgreifen, um mich wieder loszuwerden.“ Daniel ballte seine Faust und tat so, als würde er sein Kinn boxen, worauf sein Kopf zur Seite flog, als wäre er getroffen. „Ich bin ihm ein Dorn im Auge, weil er glaubt, ich könnte nicht dieselbe Arbeit schaffen wie alle anderen. Seiner Meinung nach bin ich der Klotz am Bein der Kollegen, der sie ausbremst. Aber ich werde ihn eines Besseren belehren!“
    „Mich wundert eh, dass er sich darauf eingelassen hat, dich wieder bei der Kripo aufzunehmen“, gab sie zu und kreuzte ihre in Nylonstrümpfen steckenden Beine.
    Mahnend hob Daniel seinen Finger hoch. „Nur als Berater. Nur hin und wieder. Und dann auch nur für wenige Stunden.“
    „Also nie.“ Man versuchte Daniel auszutricksen, begriff Marie und verschränkte verärgert ihre Arme vor dem Körper.
    „EKHK Karsten Fuchs und Tomasz wollen es deichseln, dass ich regelmäßig gerufen werde.“ Mit den Handflächen schlug er auf

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