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Leiden sollst du

Leiden sollst du

Titel: Leiden sollst du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Wulff
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aus der Umkleide zog.
    Er kam sich vor wie ein exotischer Käfer, der auf dem Rücken lag, und dem jeden Moment eine gigantische Nadel in den Bauch gejagt werden würde, um hinter Glas gepackt und als Trophäe ausgestellt zu werden, konserviert für die Ewigkeit und trotzdem mausetot.
    Rücksichtslos schleifte Kranich ihn in das Studio. Die Einfassung der Tanzfläche erschütterte Daniel wie eine riesige Bodenwelle, als er darüber hinweg gezerrt wurde. Jeder einzelne Wirbel, der noch nicht seinen Geist aufgegeben hatte, tat höllisch weh.
    Mitten auf dem Parkett stellte Markus seinen Fuß auf Daniels Kehle und verlagerte sein Gewicht darauf. „Na, spürst du das wenigstens, Bullenwichser?“
    Sein gehässiges Lachen drang kaum zu Daniel durch. Er sah es mehr, als dass er es hörte, denn das Blut rauschte so laut in seinen Ohren, als würde er neben dem Kölner Autobahnring zur Hauptverkehrszeit stehen. Die Frage, warum Kranich seinen Angriff nicht in der Umkleidekabine gestartet hatte, wurde Daniel beantwortet, als sein Angreifer sich stolz in der Spiegelwand betrachtete.
    Dieser Psycho poste!
    Das machte Daniel stinksauer. Fest boxte er gegen Kranichs Wade. Erfolglos. Er krallte seine Finger hinein, schob dessen Hose hoch und versuchte, empfindliche Punkte an seinem Fußgelenk zu ertasten, um ihn dazu zu bringen, von ihm abzulassen, doch Kranich schien das in seinem Wahn gar nicht wahrzunehmen.
    Zunehmend verlor er an Kraft. Die Luft wurde knapp. Hatte Markus am Anfang noch zwischendurch immer mal wieder kurz seine Sohle von seinem Hals genommen, damit Daniel durchatmen konnte, so sparte er sich diese arglistige Spielerei nun und machte sich schwer. Schwer wie ein Kilometerstein am Rhein lag sein Fuß auf Daniels Adamsapfel.
    Daniels Schädel fühlte sich an, als würde er jeden Moment platzen. Panisch schlug er um sich. Er ermahnte sich, dass das nichts brachte, nahm all seine innere Stärke zusammen und hörte damit auf.
    Sogleich streckte er seinen Arm. Er machte eine Faust, um sie mit einem einzigen kraftvollen Stoß in Kranichs Unterleib zu versenken, reichte aber nicht heran. Nicht einmal, wenn er sie öffnete und seine Finger streckte, damit er wenigstens diese schmerzhaft in dessen Weichteile bohren konnte.
    Was immer Daniel versuchte, es war umsonst.
    Langsam verlor er seinen Mut. Er kämpfte dagegen an, ohnmächtig zu werden, denn wenn das geschah, waren nicht nur er, sondern auch Marie und Benjamin verloren. Aber er konnte sie nur retten, indem er sein Bein anhob und Kranichs Glocken gehörig zum Klingeln brachte. Das war jedoch unmöglich, denn sein Unterkörper gehorchte ihm schon lange nicht mehr.
    Dieser Kampf war aussichtslos. Daniel war am Ende.
    Alles vor seinem Sichtfeld verschwamm. Er blinzelte hektisch und sah wieder klarer, doch ein seltsamer Dunst waberte heran. Seine Lider wurden schwerer.
    Im Dämmerzustand wurde ihm klar, dass er nur gegen Kranich gewinnen konnte, wenn sie zu gleichen Bedingungen gegeneinander antraten.
    Und was bringt dir diese Erkenntnis nun? , fragte eine Stimme sarkastisch in ihm.
    Hatte er eben noch vor Panik gekrampft wie ein Epileptiker, so legte sich nun eine Gelassenheit über ihn, die ihn erschreckte, aber er konnte den morbiden Gleichmut nicht verhindern. Das Rauschen in den Ohren verstummte, seine Gedanken wurden träger und er legte seine Arme hin, statt sich weiter sinnlos an Kranichs Schenkel zu klammern.
    Plötzlich stürmte Marie in den Raum herein. Ihr Mund bewegte sich und sie hielt ein Handy in der Hand, aber er hörte nicht, was sie sagte, als wäre der Ton abgestellt. Hinter ihr folgte Ben. Er strauchelte und fiel der Länge nach hin. Als er Daniel etwas schwungvoll über den Boden zuschob, erkannte er den Gegenstand nicht sofort. Erst als er neben seinem Gesicht liegen blieb, nahm er die Handsäge wahr, umgeben von einer Corona, hervorgerufen durch den steigenden Augendruck.
    Ihm ging ein Licht auf. Jetzt hatte er die Möglichkeit, eine Chancengleichheit zwischen Kranich und sich herzustellen.
    Ermattet griff er die Säge. Es kostete ihn große Mühe, sie anzuheben, doch er schaffte es. Mit der freien Hand tastete er nach Markus’ Ferse, setzte das Sägeblatt auf Höhe der Achillessehne an und mobilisierte seine letzten Kräfte, um sie zu durchtrennen.
    Kranichs lauter Schmerzensschrei pustete seine Ohren frei, was auch daran lag, dass dieser neben ihm auf seine Knie fiel und Daniel wieder frei durchatmen konnte. Gierig sog er die Luft tief in

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