Leidenschaft der Nacht - 4
gehörten demselben Orden an.« Bei diesen Worten beobachtete er den jungen sehr aufmerksam.
Auch Olivia sah zu Reggie, der seine blauen Augen weit aufriss und für einen Moment mit offenem Mund dasaß. »Ihr Vater war in der Silberhand?«
Reign nickte, während seine Mundwinkel sich kaum merklich nach oben bogen. »Ein dämlicher Zufall, nicht wahr? «
Der junge Mann lachte ungläubig. Es klang nicht boshaft, und selbst Olivia ertappte sich dabei, wie sie lächelte. »Ein bisschen schon. Hat dein Vater je davon gesprochen, dich in den Orden aufnehmen zu lassen?«
»Nein«, antwortete Reign kopfschüttelnd. Mehr brauchte er nicht zu sagen, denn Olivia begriff auch so, dass sein Vater sich seiner zu sehr geschämt hatte, um es vorzuschlagen.
»Sie haben recht«, bestätigte Reggie. »Ihr Vater war ein Schwein.«
Alle drei lachten, dann wurde das Gespräch wieder ernster.
»Ist das der Grund, weshalb die Sie wollen?«, fragte Reggie. »Weil Ihr Vater zum Orden gehörte?«
»Das glaube ich nicht.« Reign hob sein Bourbonglas von dem niedrigen Tisch neben seinem Sessel und trank einen Schluck. »Ihr Interesse beschränkt sich nicht auf mich, wenn es stimmt, was Sie über Temple gesagt haben. «
Reggie sah ihn an. »Ist er ein Freund von Ihnen?«
»Das war er«, entgegnete Reign und stellte sein leeres Glas auf den Tisch zurück.
»Heute ist er eher ein Verwandter. «
»Wenn Sie sich so nahestehen, wie kommt es dann, dass Sie nicht wissen, was mit ihm geschehen ist?«
»Ich sagte, dass er wie ein Verwandter ist, nicht, dass wir uns nahestehen.«
Beide Männer grinsten, und Olivia schüttelte den Kopf. »Also wirklich, wenn ihr zwei so weitermacht, werdet ihr euch demnächst noch gleich kleiden! «
Reggie errötete, wohingegen Reign ihr einen amüsierten Blick zuwarf. Es störte ihn nicht, dass sie sich über ihn lustig machte, aber er hatte sich selbst auch noch nie so ernst genommen wie manche anderen Männer, die sie kannte. Vermutlich sorgten sechshundert Jahre dafür, dass man ein ziemlich klares Selbstbild gewann.
Sie lächelte ihm zu. Ich liebe dich. Die Worte lagen ihr auf der Zunge, doch sie schaffte es, sie nicht auszusprechen. Schließlich wollte sie ein solches Bekenntnis nicht unbedingt vor dem jungen Reggie abgeben.
Ein interessiertes Leuchten ging durch Reigns graue Augen. Ihm war nicht entgangen, dass ihr Gesichtsausdruck sich geändert hatte, auch wenn er nicht wuusste, was es zu bedeuten hatte. Gott sei Dank!
Reggie sah auf seine Uhr. »Es ist fast Morgen. Sollten Sie beide nicht … ich weiß nicht, sich über Tag verstecken?«
Olivia nahm sich einen der Kuchen, die auf dem Tisch standen. Reggie hatte sie nicht angerührt, und es wäre eine Schande gewesen, sie verkommen zu lassen.
»Nein, nein, wir können auch tagsüber auf sein.« Vorausgesetzt, sie blieben dem Sonnenlicht fern, aber das erwähnte sie nicht. Reggie mochte auf ihrer Seite und gegen seinen Vater sein, doch deshalb musste sie ihm ja nicht gleich ihr Leben anvertrauen.
»Möchten Sie schlafen?«, fragte Reign ihn. »Ich kann Ihnen eines der Gästezimmer anbieten.«
Der junge Mann verneinte stumm, wobei ihm eine rotbraune Locke in die blasse Stirn fiel. »Nein, vielen Dank. Ich möchte wach sein, wenn die Antwort meines Vaters eintrifft. «
Das verstand Olivia, und Reign anscheinend ebenfalls, obwohl er es nicht aussprach. Stattdessen verwickelte er Reggie in eine belanglose Plauderei und hielt ihn damit beschäftigt. Wenige Minuten nachdem Clarke sich zu ihnen gesellt hatte, klopfte es an der Tür.
Zum Glück mussten weder Reign noch Olivia hingehen, denn draußen brach inzwischen der Tag an.
»Eine Nachricht von Dashbrooke«, eröffnete Clarke ihnen, der Reign den Umschlag reichte und sich wieder zu ihnen setzte. Vor lauter Neugier vergaß er zur Abwechslung einmal, Olivia mit einem zornigen Blick zu bedenken, und sie würde ihn gewiss nicht auf sein Versäumnis aufmerksam machen.
Der arme Reggie setzte sich so gerade auf, dass er nur noch auf der vorderen Sesselkante hockte. »Was steht drin?«
Reign zerriss das Siegel mit einem Finger, holte einen kleinen Bogen Briefpapier aus dem Umschlag und las laut vor: »Verehrte Mr. und Mrs. Gavin, Sie haben gewonnen.
Ich werde alles tun, was Sie verlangen, wenn Sie mir nur meinen teuren Sohn sicher und unverletzt zurückbringen. Kommen Sie heute Abend mit ihm zu mir, und ich übergebe Mr. Burnley in Ihre Hände. Hochachtungsvoll, William Dashbrooke, Esquire.«
Vor
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