Leidenschaft des Augenblicks
umklammert, die Hatch ihr gerade gemacht hatte. »Beruhige dich, Hatch. Es ist ja vorbei. Ich hätte beim Aussteigen einfach besser aufpassen müssen.«
»Ja, verdammt. Du hättest besser aufpassen müssen.«
Jessie sah ihn an und hob eine Augenbraue. »Höre ich da eine Spur von Tadel heraus?«
»Jetzt, da der erste Schreck vorbei ist, habe ich ja wohl das Recht dazu, dich zu tadeln.« Hatch lehnte sich mit dem Rücken gegen die Spüle und verschränkte die Arme vor der Brust. »Lieber Himmel, Jessie. Wenn du das nächste Mal aus dem Auto steigst, dann schau dich vorher bitte um. Ist das klar?«
»Du kannst mir glauben, daß ich in Zukunft daran denken werde.«
»Ich wünschte nur, die alte Dame hätte sich das Kennzeichen gemerkt.«
»Es war nicht genug Zeit dazu, Hatch. Ich sage dir doch, das Ganze hat nur ein paar Sekunden gedauert. Der Wagen raste nur so, und alles ging unheimlich schnell.«
»Und du konntest den Fahrer nicht sehen?«
Jessie schüttelte den Kopf. »Ich habe dir doch gesagt, daß das Auto getönte Scheiben hatte. Aber auch sonst hätte ich wahrscheinlich nichts erkennen können. Ich hatte viel zu sehr damit zu tun, mich gegen mein Auto zu pressen. Das einzige, was ich der Polizei melden könnte, wäre, daß ein braunes Auto mich fast überfahren hätte. Und leider passiert so etwas andauernd. Man kann nichts weiter tun, als vorsichtig sein.«
»Daran solltest du in Zukunft denken.« Hatch verfiel in Schweigen, und seine Miene verfinsterte sich.
»Hatch?«
»Ja?«
»Was denkst du gerade?«
»Verschiedenes.«
»Das ist eine ausgesprochen informative Antwort«, murrte Jessie. »Also komm schon. Was geht in deinem superintelligenten Schädel vor?«
»Ich mußte gerade daran denken, daß die Polizei immer noch keine Spur von dem DEL-Kerl hat, der bei dir im Büro eingebrochen und sich an meinem Auto zu schaffen gemacht hat. Sie verhören Edwin Bright, und sie haben Landis und Hoffman, aber was, wenn es noch einen von der Sorte gibt, der frei herumläuft?«
Jessies Augen weiteten sich vor Schreck. »Du glaubst doch nicht, daß er dann hinter mir her wäre, oder?«
»Nein, wahrscheinlich nicht«, antwortete Hatch ein wenig zu schnell. »Wenn so jemand überhaupt existiert und nur ein klein wenig gesunden Menschenverstand besitzt, dann hat er längst die Stadt verlassen. Und selbst wenn er dumm genug wäre, noch hier rumzuhängen, dann hätte er es viel eher auf Susan Attwood abgesehen. Sie ist schließlich diejenige, die das meiste Beweismaterial gegen Bright geliefert hat.«
»Stimmt auch wieder. Meinst du, wir sollten Susan und Alex anrufen und sie warnen?«
Hatch ließ es sich durch den Kopf gehen. »Es ist nur so, daß ich mir einfach keinen Grund vorstellen kann, warum sich der Kerl immer noch hier rumtreiben sollte. Vorausgesetzt, es gibt ihn überhaupt, dann hatte man ihn sicher nur angeheuert. Und wenn er schlau genug war, der Polizei durch die Maschen zu gehen, dann sollte er auch so klug sein, sich längstens abgesetzt zu haben. Aber es kann nichts schaden, wenn ich Robin anrufe. Ich werde ihm sagen, er soll auf Susan aufpassen, seine Türen verschlossen halten und sich in den nächsten Tagen nicht in zwielichtigen Gegenden herumtreiben.«
»Und was wirst du tun?«
Hatch lächelte grimmig. »Ich werde auf dich aufpassen und darauf achten, daß deine Türen gut verschlossen sind und daß du dich nicht in zwielichtigen Gegenden herumtreibst.«
Jessie war nicht besonders überrascht, als sie am nächsten Morgen auf ihrem Anrufbeantworter die Stimme ihres Vaters hörte. Seine Nachricht war kurz und verriet keinerlei Emotionen.
»Ich will dich so schnell wie möglich sprechen. Aber nicht im Büro. Ich gehe heute früher nach Hause. Komm so gegen fünf Uhr vorbei.«
Um fünf Uhr nachmittags stieg Jessie gehorsam die Stufen zu dem großen weißen Haus hinauf, in dem sie aufgewachsen war. Das Viertel, in dem es stand, gehörte zu den besten Wohngegenden von Seattle, und das Haus selbst war im Queen-Anne-Stil errichtet, wunderbar gepflegt und von einem großen, parkähnlichen Garten umgeben. Ein Gärtner kümmerte sich darum, da Jessies Vater kein Interesse an Gartenarbeit hatte.
Vincent öffnete die Tür gleich beim ersten Läuten. Er hatte ein Glas Whisky in der Hand und schaute seine Tochter finster an.
»Wurde auch allmählich Zeit, daß du kommst.« Sein Blick fiel auf den Mercedes, der auf der anderen Straßenseite geparkt war. Hatch stand gegen einen Kotflügel gelehnt
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