Leidenschaft des Augenblicks
muß. Bring ihn zur Vernunft. Und bring Hatch zur Vernunft.«
»Dad würde verlangen, daß Hatch klein beigibt.«
»Das nennt man einen Kompromiß schließen, verdammt!« rief Constance unbeherrscht.
»Das nennt man Selbstachtung haben«, erwiderte Jessie. »Falls Dad und Hatch jemals wieder Zusammenarbeiten wollen, dann muß einer von ihnen zurückstecken. Und ich kann euch jetzt schon sagen, daß das nicht Hatch sein wird.«
»Und du weißt genau, daß auch Vincent nicht nachgeben kann«, warnte Lilian.
Jessie nickte. Sie kannte ihren Vater. »Ich weiß. Oh, übrigens, ihr seid natürlich beide zur Verlobungsfeier am Freitag abend eingeladen.«
»Du kannst doch nicht ernstlich von uns erwarten, daß wir dir helfen, dieses Fiasko von Verlobung auch noch zu feiern, Jessie«, murrte Constance.
Lilian sah ihre Tochter stirnrunzelnd an. »Geh nach Hause und laß dir alles noch mal in Ruhe durch den Kopf gehen, Jessie. Denke genau darüber nach. Ich bin sicher, daß du nicht so unvernünftig bist, deine Familie wegen eines Mannes zu verlassen, der so dumm ist, eine Multimillionen-Dollar-Zukunft einfach so mir nichts, dir nichts sausen zu lassen.«
Als Jessie später das Auto vor ihrem Apartmenthaus abstellte, war ihr irgendwie mulmig zumute. Sie verspürte wieder das ungewisse Gefühl drohenden Unheils, so ähnlich wie bei dem Fall Attwood.
Wahrscheinlich hing es damit zusammen, daß sich ihr ganzes Leben verändern würde. Schließlich war ungeheuer viel auf einmal passiert. Sie war aus einem Job gefeuert worden, obwohl sie geglaubt hatte, endlich das Richtige für sich gefunden zu haben. Sie hatte sich verlobt. Sie war der Grund für gravierende Spannungen innerhalb der Familie - sie, die sonst immer alle Zwistigkeiten schlichtete und zwischen allen vermittelte.
Ihr standen gravierende Veränderungen bevor. Da war es doch wohl nur normal, daß sie sich unsicher fühlte. Langsam drehte sie sich um und griff nach den beiden Einkaufstüten, die sie nach ihrem Besuch im Supermarkt auf dem Rücksitz verstaut hatte. In jedem Arm eine, stieg sie rückwärts aus dem Auto.
Gerade als sie die Wagentür schloß, hörte sie das Geräusch eines aufheulenden Motors. Automatisch blickte sie nach rechts.
Ein dunkelbrauner Wagen raste mit unheimlicher Geschwindigkeit die normalerweise ruhige Straße entlang. Er war nur noch wenige Meter entfernt. Und er kam direkt auf sie zu.
Jessie schrie auf und ließ die beiden Einkaufstüten fallen.
Blitzschnell wurde ihr klar, daß sie es unmöglich über die Straße schaffen konnte.
Dann tat sie das einzige, was ihr zu tun übrig blieb: Sie preßte sich möglichst flach an die Seite ihres eigenen Autos und schickte ein Stoßgebet zum Himmel, daß der Fahrer, wenn er sie schon nicht gesehen hatte, wenigstens ihrem Wagen ausweichen würde.
Das braune Auto raste so dicht an ihr vorüber, daß ihre Umhängetasche am Kotflügel hängenblieb. Glücklicherweise riß der Schultergurt, und die Tasche flog in die Luft und landete erst mehrere Meter entfernt wieder auf der Erde. Jessie fühlte kaum mehr als einen Windstoß, erhaschte einen Blick auf die Fensterscheiben, die so dunkel getönt waren, daß man den Fahrer nicht sehen konnte, und dann war schon alles vorüber.
Alles war vorüber, und ihr war nichts passiert. Aber nur dank ihrer Geistesgegenwart und einem unglaublichen Glück.
Jessie brach fast zusammen, als sie sich von ihrem Auto abstieß. Das Fahrzeug, das sie um ein Haar überfahren hätte, war bereits mit quietschenden Reifen um die nächste Ecke verschwunden.
»Immer diese besoffenen Autofahrer!« rief eine ältere Frau vom Bürgersteig herüber. »Die gehören alle eingesperrt, oder wenigstens sollte man ihnen den Führerschein wegnehmen.«
Jessie konnte sie nur stumm ansehen.
Sie starrte immer noch leeren Blicks auf ihre Einkäufe, die über die halbe Straße verteilt lagen, als Hatch wenige Minuten später seinen Mercedes in die Parklücke hinter ihrem Wagen lenkte.
Er sah die verstreuten Lebensmittel, war schon aus dem Auto und rannte auf sie zu.
»Jessie?«
Sie fiel in seine Arme und wäre vor Erleichterung fast richtig zusammengebrochen. Noch nie hatte irgend etwas ihr mehr Schutz und Zuversicht gegeben als Hatch in diesem Augenblick.
19. Kapitel
»Bist du wirklich okay?« Hatch stellte diese Frage nun bereits zum fünften Mal.
»Mir geht es gut. Ehrlich. Ich bin nur ein bißchen durcheinander.« Jessie saß an der Küchentheke und hielt die Tasse Tee
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