Leidenschaft des Augenblicks
Kuß auf die Wange.
»Was ist mit der Familie?« krächzte Vincent, als sie sich zum Gehen wandte.
»Ich liebe euch alle sehr, aber ihr zwingt mich dazu, mich zwischen euch und Hatch zu entscheiden. Und ich habe meine Wahl getroffen.«
»Jessie. Verdammt noch mal, warte! Komm zurück!« Vincent klang erschöpft. »Verstehst du denn nicht? Wenn du fortgehst, dann werde ich sie alle verlieren. Elizabeth, David, Connie und Lilian. Du bist die einzige, die uns zusammenhält. Du und Benedict Fasteners.«
»Wirklich, Dad? Es tut mir leid, aber ich werde diesen Job nicht mehr länger alleine machen. Du mußt mir schon dabei helfen.«
»Ich werde nicht zulassen, daß Hatch alles kaputtmacht, was ich in jahrelanger Arbeit aufgebaut habe«, bellte Vincent. »Hörst du? Ich werde es nicht zulassen, Jessie. Ich kann es nicht.«
»Dad, wenn du alles haben willst - mich, die Familie und die rosige Zukunft, die man Benedict Fasteners voraussagt -, dann wirst du Hatch vertrauen müssen. So, als ob er dein leiblicher Sohn wäre.« Jessie ging durch die Diele. Bevor sie die Haustür öffnete, blieb sie noch einmal stehen. »Übrigens, du bist natürlich zu unserer Verlobungsfeier eingeladen. Halb acht Uhr morgen abend. Ich habe Grace den Namen des Restaurants gegeben, nur für alle Fälle.«
»Erwarte bloß nicht, daß ich komme. Ich werde diese... diese gottverdammte Verlobung nicht auch noch gutheißen.«
»Ich habe nur die Familie eingeladen«, sagte Jessie ruhig. »Folglich erwarte ich sowieso nicht viel.«
Draußen auf der Straße beobachtete Hatch interessiert, wie ein hellgrüner Buick an den Straßenrand fuhr und anhielt. Glenna Ringstead stieg aus. Wie gewöhnlich hatte sie ihr Haar zu einem strengen Knoten aufgesteckt und trug ein schlichtes graues Kostüm und schwarze Pumps. Sie bemerkte Hatch, der sich lässig gegen einen Kotflügel des Mercedes lehnte, zunächst nicht, sondern schien ganz auf das konzentriert, was sie in Vincent Benedicts Haus zu erledigen hatte.
Hatch fragte sich, woher sie wußte, daß Vincent bereits um diese Tageszeit zu Hause war.
»Hallo, Glenna.«
Glenna fuhr herum, und ihr ebenmäßiges Gesicht zeigte einen Ausdruck des Erschreckens. »Hatchard. Was machen Sie denn hier?«
»Jessie redet drinnen mit ihrem Vater. Ich erwarte sie jeden Moment. Ich glaube nicht, daß die beiden sich viel zu sagen haben.«
Glennas Augen wurden schmal. »Es stimmt also wirklich? Sie und Vincent hatten Streit, und Jessie will mit Ihnen durchbrennen?«
»Irgendwie finde ich den Ausdruck >durchbrennen< etwas unpassend, wenn die Braut siebenundzwanzig ist und der Bräutigam auf die Vierzig zugeht. Das paßt doch wohl eher zu zwei High-school-Kids, die sich heimlich aus dem Staub machen.«
Glenna wirkte ungeduldig. »Aber Sie wollen sie heiraten?«
»Ja. Ich werde sie heiraten.«
»Und Vincent hat Sie rausgeworfen?«
»Er hat mir gesagt, ich hätte eine Stunde Zeit, um meine persönliche Habe zusammenzupacken und das Gebäude zu verlassen. Er hat nicht einmal die zweiwöchige Kündigungsfrist eingehalten, die, wie Jessie mir sagte, üblich ist. Und sie muß es ja wissen.«
Glennas Augen leuchteten befriedigt auf. »Ich wußte, es würde nicht funktionieren. Ich habe Vincent von Anfang an gesagt, daß es ein Fehler war, Sie einzustellen. Um Benedict Fasteners ganz nach oben zu bringen, braucht er Sie nicht. Er hätte nur David zeigen müssen, wie man so ein Unternehmen leitet. Aber jetzt nimmt er vielleicht doch noch Vernunft an.«
Hatch zuckte die Schultern. »Irgendwas sagt mir, daß David den Job gar nicht haben will.«
»Oh, er wird sich an den Gedanken gewöhnen. Er braucht nur noch etwas Zeit, um erwachsen zu werden. Da Sie jetzt aus dem Spiel sind, wird Vincent David eine zweite Chance geben. Das ist das mindeste, was er David schuldet, und das werde ich ihm auch sagen.«
»Darauf würde ich mich nicht verlassen, Glenna. David ist nicht für einen Management-Beruf geschaffen. Jessie hat recht. Er wird in der akademischen Welt sehr viel glücklicher werden.«
»Jessie weiß nicht, wovon sie redet. Wie könnte sie auch? Sie hat keinerlei Erfahrungen auf psychologischem Gebiet, ja noch nicht einmal irgendeine andere abgeschlossene Ausbildung. Bei keinem Job konnte sie sich durchsetzen. Und trotzdem glaubt sie genau zu wissen, was für uns alle das beste wäre. Es wird langsam Zeit, daß sie verschwindet. Wenn sie endlich weg ist, wird es allen wesentlich besser gehen.«
Hatch zog die Augenbrauen
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