Leidenschaft des Augenblicks
möglichst rasch ein Patent dafür zu bekommen.«
»Es bleibt uns ja nur noch so wenig Zeit«, flüsterte Sherry.
»Ja.« Hatch warf seine leere Plastiktasse in den nächsten Papierkorb, der vor zusammengeknüllten Computerausdrucken geradezu überquoll. »Gibt es hier in der Nähe eine Herrentoilette?«
»Aber natürlich. Gleich den Gang runter.« Sherry strahlte ihn an. »Ich zeige es Ihnen.«
»Das ist sehr nett.« Hatch ignorierte Jessies ärgerlichen Blick und folgte der jungen Frau nach draußen.
Jessie sah ihm nach und wandte sich dann an Landis. Dabei setzte sie eine unschuldig-neugierige Miene auf. »Ich muß zugeben, ich bin ausgesprochen beeindruckt von den ganzen Computern und so weiter, aber ich hatte eigentlich erwartet, daß Dr. Bright nicht nur ein brillanter Wissenschaftler sei. Die Frau, von der ich die Einladung bekam, hat angedeutet, er hätte gewisse...«, sie zögerte, »...gewisse Fähigkeiten.«
Landis nickte nachdenklich. »Sie meinen das Gerücht, daß Bright übernatürliche Kräfte besäße, nicht wahr?«
»Ist es wirklich nur das? Ein Gerücht?«
Landis geleitete sie aus dem Computerraum und schloß die Tür hinter ihnen. »Ich nehme an, daß hängt ganz davon ab, wie man es sehen will. Dr. Bright ist ein brillanter Mann mit der nahezu unglaublichen Fähigkeit, riesige Datenmengen aufnehmen und daraus konkrete Voraussagen ableiten zu können. Sein Gehirn arbeitet buchstäblich wie ein Computer. Manchen Menschen mag es so Vorkommen, als besäße er tatsächlich übernatürliche Kräfte. Aber er selbst hat das nie von sich behauptet.«
»Dann hat man mich wohl falsch informiert.« Jessie erinnerte sich, daß Mrs. Attwood lediglich angenommen hatte, Bright gäbe vor, hellseherische Fähigkeiten zu haben, um Leute wie ihre Tochter leichter beeinflussen zu können.
»Und überhaupt: Wo ziehen Sie die Linie zwischen natürlichen und übernatürlichen menschlichen Fähigkeiten?« fragte Landis und klang sehr vernünftig. »Intuition ist etwas allgemein Akzeptiertes, und viele Leute sind stolz auf ihren sechsten Sinn. Aber wenn jemand über außergewöhnlich viel intuitive Fähigkeiten verfügt so wie Dr. Bright, dann wird das häufig als übersinnliche Kräfte bezeichnet.«
»Das stimmt. Ich verstehe, worauf Sie hinauswollen.« Jessie überlegte, ob Mrs. Valentine vielleicht auch einfach nur über eine besonders wache Intuition verfügte. »Hier arbeiten eine ganze Menge Leute, nicht wahr?«
»Insgesamt nur rund fünfzehn. Sie kommen zu uns, weil sie sich ernstliche Sorgen um unsere Umwelt machen und weil sie glauben, daß wir Amerikaner in der Lage sind, für jedes Problem eine technische Lösung zu finden. Und sie bleiben hier, weil sie Dr. Bright für den geeigneten Mann halten, etwas Derartiges zu entwickeln. Wir hoffen sehr, daß Sie und Mr. Hatchard unsere Arbeit mit einer größeren Spende unterstützen werden.«
Jessie wollte gerade antworten, hielt dann aber den Mund, da sie Hatch von der Toilette zurückkommen sah. Sherry Smith ging neben ihm den Gang entlang, ihr hübsches Gesicht Hatch zugewandt und voll auf ihn konzentriert. Er lauschte ihr mit gerunzelter Stirn. Jessie war überrascht, wie vertraut die beiden wirkten, und es irritierte sie mehr als erwartet. Sie wandte sich wieder Landis zu, lächelte ihn höflich an und flüchtete sich in eine typisch weibliche Ausrede.
»Was Ihre Bitte um eine weitere Spende angeht, Mr. Landis: Über solch wichtige Entscheidungen möchte ich mich lieber erst mit meinem Mann unterhalten.«
»Selbstverständlich, Mrs. Hatchard.« Landis setzte wieder sein charmantes Lächeln auf und machte eine Handbewegung in Richtung Treppe. »Wollen wir jetzt unsere Tour fortsetzen?«
9. Kapitel
Jessie schwenkte die goldbraune Flüssigkeit in dem Cognacglas und neigte den Kopf, um den Duft des Alkohols einzuatmen. Sie fühlte sich rundherum wohl. Es war gemütlich warm in dem kleinen Restaurant, während draußen der Regen gegen die Fensterscheiben prasselte. Das Abendessen war exzellent gewesen. In dem offenen Kamin des Raumes loderte ein helles Feuer. Rund die Hälfte der Tische war besetzt, und die Gäste unterhielten sich leise, aber angeregt.
Jessie und Hatch waren nach Beendigung der Tour durch die DEL-Zentrale in ihr Hotelzimmer zurückgebracht worden, hatten sich umgezogen und waren dann zu Fuß zu dem Lokal spaziert. Hatch hatte während des Essens nur wenig gesprochen und schien in Gedanken versunken.
Ausnahmsweise hatte Jessie
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