Leidenschaft, Die Dich Verfuehrt
können.«
Shay rieb sich den Nacken. Er muss te an sich halten, um nicht über den Schreibtisch zu springen, Vater und Sohn mit je einer Hand an der Gurgel zu packen und sie so lange zu schütteln, bis sie beide die ganze Wahrheit gestanden hatten. »Gehen Sie«, meinte er.
»Er wird mich umbringen, Pa!« kreischte Billy. »Wenn du mich nicht auf der Stelle hier rausholst, wird er mich umbringen!« Billy muss te ein sehr kurzes Gedächtnis haben, denn der Alte hatte ihm doch eben erst befohlen, den Mund zu halten. Er schaute ganz überrascht, als sein Vater durch das Gitter fasste , ihn am Hemd packte und sein Gesicht hart gegen die eisernen Stäbe schlug.
» Halts Maul«, knurrte der Alte. Zumindest war Shay ziemlich sicher, daß er so etwas gesagt hatte, auch wenn er die Worte nicht verstehen konnte, da Kyle Senior nur noch wisperte.
Er setzte sich auf die Ecke des Schreibtischs, verschränkte die Arme vor der Brust und hielt den Kopf gesenkt. Er war doch ein verdammter Idiot gewesen, dachte Shay verbittert, ein Narr, dessen Verstand vom Whiskey vernebelt war. Wenn er klar im Kopf gewesen wäre, hätte ihm schon viel früher auf gehen müssen, wer für den Anschlag auf die Kutsche und für Grace' Tod und den der anderen verantwortlich war. Natürlich muss te er erst Beweise für diese Theorie finden, denn auf Grund eines Gefühls oder eines vagen Verdachtes würden die Schuldigen nicht verurteilt und gehenkt werden. Shay traute es Billy durchaus zu, eine Brücke in die Luft zu jagen und den Tod von fünf Menschen in Kauf zu nehmen, nur um an eine Kiste mit Geld zu kommen, die er sich auch anders hätte beschaffen können. Die Frage war, welche Rolle Kyle Senior dabei gespielt hatte. Entweder hatte er vorher von dem hinterhältigen Anschlag gewusst und das Dynamit besorgt, weil er selbst ein Ziel damit verfolgte, oder er hatte erst später herausgefunden, daß Billy in die Sache verwickelt war und hatte sich entschlossen, seinen Sohn vor dem Gesetz zu schützen.
Shay hielt die zweite Möglichkeit für die wahrscheinlichere. Kyle hatte seinem Jungen alles gegeben, was ein junger Mensch sich nur wünschen konnte, und er hatte die Augen verschlossen, wenn der Junior mal wieder eine Dummheit begangen hatte. Für manche Leute war das väterliche Liebe, aber für Shay, der von einem ehrlichen und anständigen Mann erzogen worden war, der seinen Sohn gelobt hatte, wenn er es verdient hatte, und der ihn andererseits für seine Fehler hatte büßen lassen, zeugte so ein Verhalten nicht von Liebe, sondern von Gleichgültigkeit.
Schließlich beendete der alte Kyle sein Gespräch mit Billy und wandte sich wieder an Shay. »Sie wollen es sich nicht doch noch einmal überlegen?« Es war weniger eine Frage als eine Feststellung, ja fast schon eine Anklage.
Shay schüttelte den Kopf. »Nein, Sir.« Jeder im Raum - Billy, Kyle Senior und Jim O'Sullivan - wusste , daß diese Anrede in diesem Fall kein Zeichen des Respekts vor dem älteren Mann war. »Die beiden bleiben hier, bis ein Richter anders entscheidet.«
Aislinn saß im vorderen Teil des Ladens hinter zwei Fässern auf dem Fußboden und packte eine Kiste mit neuen Büchern aus. Durch das Fenster sah sie Mr. William Kyle, der weder nach rechts noch nach links blickte, sondern direkt auf den Laden zuging. Sein Gesicht wirkte hart wie Granit. Er stieß die Tür auf und ging, ohne seinen runden schwarzen Hut abzunehmen, mit schnellen Schritten zum Hinterzimmer des Ladens, das durch einen Vorhang vom vorderen Verkaufsraum abgetrennt war. Dort war Cornelia damit beschäftigt, Seidenbänder abzumessen, die der Hutmacher geordert hatte.
Dorrie hatte Aislinn geraten, sich von ihrer Schwester fernzuhalten , bis sie Cornelia schonend beigebracht hatte, daß Aislinn ab sofort als Aushilfe im Laden arbeiten würde. Dann war Dorrie zum Hotel gegangen, um Aislinns persönliche Sachen abzuholen und Eugenie und Liza Sue eine Nachricht von Aislinn zu überbringen. Natürlich hoffte Dorrie, daß ein Brief von Leander auf sie warten würde.
Mr. Kyle muss te mit der Faust - oder gar mit dem Knauf seines Revolvers auf die Verkaufstheke geschlagen haben, denn es gab so einen lauten Knall, daß Aislinn zusammenzuckte.
»Weißt du, was dein Bruder jetzt angestellt hat?«
Cornelia schnaubte. »Der Marshall ist nicht direkt mit mir verwandt«, erwiderte sie.
Aislinn wagte zwar kaum zu atmen, aber sie konnte der Versuchung nicht widerstehen, hinter den Fässern hervorzulugen und durch
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